Die Konzertkneipe ist eine ganz besondere Spezies von Kulturort: hier ist es eng und stickig und der Sound ist oft schlecht. Aber genau deshalb ist die Kneipe ein toller Ort für Livemusik, schreibt Jan Georg Plavec zum Auftakt einer Reihe über Kneipenkonzerte in Stuttgart.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Für Bands und generell für Musiker aus dem weiten Bereich der Popmusik beginnen große Karrieren nicht beim sonntäglichen Open-Air-Rave und auch nicht beim Rapbattle, sondern: in der Kneipe.

 

Sobald die Songs im Proberaum aufführbar klappen und man im Jugendhaus schon mal erfolgreich gejammt hat, sind Kneipen oft die erste Anlaufstelle für den ersten „richtigen“ Gig – mit Werbung, vielleicht auch mit Eintritt, jedenfalls außerhalb der geschützten, bekannten Atmosphäre.

Kneipe, Konzert und Karriere ist zwar ein hübscher Dreiklang, aber natürlich schafft es bei weitem nicht jede Band aus der Kneipe auf die großen Bühnen. Was vielleicht auch gar nicht im Sinne dieser Konzertform ist. Denn es gibt Gruppen, die tatsächlich in einer Kneipe am besten „funktionieren“: weil sie nah am Publikum dran sind, weil es eng ist, eben weil die Atmosphäre stimmt und vielleicht auch der Alkoholpegel.

Schlechter Sound gehört dazu

Doch das „Kneipenkonzert“ ist mehr als das. Bei größeren Bands steht das Konzept für ein zünftiges „Zurück zu den Wurzeln“, zu einer Direktheit in der Musik, die man auf großen Bühnen nicht hinbekommt. Es gibt die „Wirtshaus Tour“ eines durch den Hirschen bekannten Kräuterlikörherstellers und eine norddeutsche Bierfirma veranstaltet in Hamburg regelmäßig Kneipenkonzerte. Die Beatsteaks waren längst erfolgreich, als sie immer noch ganze Kneipentourneen absolvierten oder ihr Album „Boombox“ vorstellten.

Dabei sieht man über vieles hinweg: schlechten Sound, mäßige Lichtshow, schlechte Luft. Oder: Man sucht es geradezu. Kneipenkonzerte leben von der Improvisation, schließlich finden sie an einem Ort statt, der nicht eigens für Livemusik gebaut wurde. Gelingen oder Nichtgelingen hängen ganz stark von der Kneipe selbst ab, jenem Refugium für handgemachte Musik, das der Wirt nur an diesem einen Ort schafft.

Die StZ-Musikkolumne für die Region Stuttgart, kopfhoerer.fm, wird im Herbst für die Stadt Stuttgart dem Phänomen den Kneipenkonzerte nachspüren. Es werden Konzertkneipen besucht und beschrieben, Kneipiers porträtiert und Kneipenbands interviewt. Wer weiß, welches unbekannte Talent in dieser Stadt schlummert ...