Jean-Claude Juncker ist am Ziel, er wird neuer Chef der EU-Kommission. Von ihm wird erwartet, dass er die Union reformiert. Der Luxemburger ist der richtige Mann für diesen Posten, meint der StZ-Redakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Straßburg - Ja, es stimmt: Jean-Claude Juncker ist ein Mann des alten Europa. Seine erste EU-Ratssitzung leitete der Luxemburger im Jahr 1985, damals war er Arbeitsminister seines Landes. Als Finanzminister bastelte er 1989 am Vertrag von Maastricht, mit dem die EU zu einer Währungsunion werden sollte. Als Premierminister war Juncker 1995 einer der Miterfinder des Euro. In Deutschland regierte damals Helmut Kohl. Europa hat Juncker sehr viel zu verdanken. Er ist ein Mann, der viele Kompromisse ausgehandelt hat – die Europa bei wichtigen Entscheidungen allerdings auch immer wieder an den Rand der politischen Lähmung geführt haben.

 

Doch die Europäische Union hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Jean-Claude Juncker musste das bei seiner Nominierung für den Chefposten der EU-Kommission sehr schmerzlich am eigenen Leibe erfahren. David Cameron stemmte sich vehement gegen die Wahl des Luxemburgers. Lauthals verkündete der britische Premier, dass er im Kreis seiner Kollegen beim Europäischen Rat nicht für Juncker die Hand heben werde. Das kam einem Tabubruch gleich, das Gremium hat fast alle wichtigen Entscheidungen bisher einstimmig getroffen. Die Maxime lautete: kein Land darf isoliert werden.

Der Ton in der EU ist rauer geworden

David Camerons Attacke wird kein Einzelfall bleiben. Die internen Verteilungskämpfe in der Europäischen Union werden heftiger und die Auseinandersetzungen zwischen den Akteuren deutlich schärfer. In diesen Fällen kann Juncker allerdings von seiner Erfahrung profitieren und zwischen den Fronten vermitteln. Schon jetzt zeichnet sich etwa beim Stabilitätspakt ab, dass einige Länder versuchen, die strenge Regelung aufzuweichen. Der italienische Premier Matteo Renzi hat seine Kampfansage an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bereits deutlich formuliert. Dazwischen steht Juncker mit einer fast schon klassisch europäischen Formulierung: er will am Stabilitätspakt festhalten, die Regeln aber flexibler handhaben.

Also doch alles wie gehabt? Keinesfalls. Junckers Eigenschaften als Brückenbauer sind gefragte Fähigkeiten. Fraglich ist, ob er auch der richtige Mann ist, die dringend notwendigen Reformen in der Union anzuschieben und dann den Prozess zu gestalten. Die Schuldenkrise hat gezeigt, dass die Gemeinschaft der 28 Staaten mit ihren sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen den großen Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen ist. Zu langwierig und zu kompliziert sind die Entscheidungsprozesse. Juncker muss sich entscheiden: will er mehr Integration oder sollen Kompetenzen wieder verstärkt in die Nationalstaaten zurück verlagert werden? Für diese Auseinandersetzungen werden die ganz harten Bandagen ausgepackt. Auch in den Beziehungen zu den Nachbarstaaten wird sich die EU in Zukunft eindeutiger positionieren müssen. Der brandgefährliche Konflikt mit Russland zeigt, dass mit wachsweich formulierten Assoziierungsabkommen keine Politik mehr zu machen ist.

Juncker kann kämpfen

Juncker hat in den vergangenen Monaten immer wieder zu erkennen gegeben, dass ihn die Angriffe auf seine Person nicht kalt lassen. Aber er hat auch gezeigt, dass er kämpfen kann und ein gewiefter Machtpolitiker ist. Das musste vor allem der Brite Cameron zur Kenntnis nehmen. Während der lautstark die EU gegen Juncker aufbringen wollte, versammelte der Luxemburger in aller Stille seine Unterstützer hinter sich. Juncker ist also vorbereitet. Vielleicht wirkte er bei seiner Wahl im Straßburger Parlament am Dienstag deshalb alles andere als alt und verbraucht. Seine Ansprache an die Abgeordneten klang kämpferischer als seine Wahlkampfreden. Schon vorher hielt er seinen Kritikern entgegen: „Ich will nicht Präsident werden, damit Europa bleibt, was es ist.“ Das klingt wie eine Reformansage.