Es sieht aus wie eine Mischung aus Judo und Ringen und ist besonders anstrengend. Hamdan Iflazoglu will das Aba-Ringen bekannter machen – etwa mit einem Turnier am Wochenende.

Kornwestheim - Über das Verhältnis seiner Familie zum Kraftsport kennt Hamdan Iflazoglu viele Geschichten. Eine geht so: Eines Tages kam ein junger Mann in das syrische Dorf, in dem Iflazoglus Großvater lebte. Der Junge sagte, er habe gehört, dass in diesem Dorf einer der stärksten Männer des Landes leben würde. Gegen ihn würde er gerne ringen. Ob der Alte ihm sagen könne, wo der Mann lebe? Der Bauer war gerade dabei, das Feld vor seinem Haus mit einem Pflug umzugraben und antwortete nicht. Nach einiger Zeit kam der Junge wieder: „Zeige mir, wo der stärkste Mann des Dorfes wohnt.“ Da nahm der Bauer den schweren, hölzernen Pflug, hob ihn mit einem Arm in die Luft und deutete auf sein eigenes Haus.

 

Eines aber machen die Erzählungen des 32-Jährigen deutlich: Kraftsport, vor allem das Ringen, hat in seiner Familie Tradition. Früher kämpfte Iflazoglu selbst. Er trat in den bekannten Stilarten des Ringens an, im Freistilringen und im griechisch-römischen Stil. Heute steht er nicht mehr selbst auf der Matte. Nun ist er Kampfrichter, und er trainiert den Nachwuchs.

Wie eine Mischung aus Ringen und Judo

Bei alldem liegt ihm das Aba-Ringen besonders am Herzen. Das ist eine ganz eigene Stilrichtung und sieht ein bisschen aus wie eine Mischung aus Ringen und Judo. Die Kämpfer tragen eine Jacke, das sogenannte Aba, an denen sie sich gegenseitig festhalten und packen, um die Würfe und Hebel anzusetzen. Laut Iflazoglu ist diese Art des Ringens besonders anstrengend. Statt zwei Runden à drei Minuten dauert der Kampf beim Aba drei mal fünf Minuten. Es gibt dabei auch keine Punktwertung, wie es bei den olympischen Varianten üblich ist. Gewonnen hat vielmehr der, der seinen Gegner mit beiden Schultern auf den Boden zwingt. Ein Sieg nach Punkten ist nicht möglich, steht es nach 15 Minuten Unentschieden, entscheidet das Los.

Seine Ursprünge hat das Aba-Ringen in Zentralasien, populär ist es heute besonders im Südosten der Türkei, im Iran, in Usbekistan und Teilen von Russland. Bei den Weltmeisterschaften in der Türkei übertragen drei Fernsehstationen die Kämpfe, bis zu 30 000 Zuschauern füllen die Hallen und Stadien. In Deutschland ist Aba-Ringen allenfalls eingefleischten Fans ein Begriff. Das will Hamdan Iflazoglu ändern. Jeden Mittwoch trainiert er mit seiner Mannschaft im Stadion in Kornwestheim.

Acht Männer schwitzen an diesem Tag auf dem Rasen des Fußballplatzes. Einer von ihnen ist Holger Fingerle. Der 20-Jährige kämpft sonst für den TSV Dewangen in der Regionalliga und wurde im Jahr 2012 EM-Dritter in seiner Alters- und Gewichtsklasse. Für ihn ist das Aba-Ringen „ein guter Ausgleich zum üblichen Training“.

Im Winter ringen sie im Schnee

Der Trainer verlangt viel von seiner Truppe. Im Sommer kämpfen sie barfuß auf dem Rasen, im Winter ringen sie im Schnee. Doch das Training scheint sich auszuzahlen: Bei den internationalen Turnieren in der Türkei schnitt die deutsche Mannschaft in den vergangenen Jahren respektabel ab. Holger Fingerle konnte in einem seiner Kämpfe gegen einen der hoch bezahlten Profis aus der Türkei bestehen. „Ein unglaublicher Erfolg“, sagt sein Trainer. Doch Iflazolgu möchte nicht nur den sportlichen Erfolg mit seiner Mannschaft, er möchte die Sportart in Deutschland populärer machen. Zum zweiten Mal hat er daher ein Turnier organisiert. An diesem Wochenende findet es in Ludwigsburg statt. Der 32-Jährige hat ein internationales Teilnehmerfeld eingeladen, aus neun Nationen sollen die Athleten kommen. Iflazoglu hat Plakate gestaltet, drucken lassen und verteilt, die Hotels für Betreuer und Athleten gebucht und die Flüge organisiert. Er ist nicht nur Trainer, sondern auch Veranstalter und Manager.

Als Sportlehrer arbeitet er schon lange nicht mehr, sein Gehalt bekommt er von einer internationalen Föderation, die den traditionellen Ringsport weltweit vertritt. Seine Motivation, sagt Iflazoglu, sei aber nicht das Geld. Er wolle vielmehr Anerkennung für seinen Sport. Er träumt davon, dass mehr Zuschauer zu den Turnieren kommen, dass mehr Medien über die Kämpfe berichten, dass weitere Sponsoren aufmerksam werden. Seine besten Athleten, so hofft er, sollen irgendwann von ihrem Sport auch leben können.