Eigentlich hat Österreich Skandale genug. Jetzt geht es auch noch Bundeskanzler Faymann an den Kragen. Ihm wird Korruption vorgeworfen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wien - Um zu verstehen, wie Politik in Österreich, sagen wir - bewusst doppeldeutig - verkauft wird, muss man sich lediglich in Erinnerung rufen, was passierte, als Anfang September Wolfgang Schüssel von der ÖVP sein Nationalratsabgeordnetenmandat zurückgab. Schüssel war von 2000 an sieben Jahre lang Bundeskanzler gewesen und bezog bereits Frühpension, obwohl er selber immer gegen die Frühpension gewettert hatte.

 

Während seiner Amtszeit war es ihm im Verein mit der FPÖ gelungen, Österreich einerseits europa-, wenn nicht weltweit zu diskreditieren, sofern die Welt über den Tourismus hinaus an österreichischen Belangen interessiert war. Dann aber - nach der Abkehr von Haider - richtete er dieses leicht skandalisierbare Land auch wieder halbwegs auf. Schüssel war kein Kretin, ganz im Gegenteil, nur vollkommen machtverkrampft.

Österreichs Politik gerät zunehmend in Misskredit

Sehenden Auges tolerierte er eine hemmungslose Günstlingswirtschaft etlicher Minister, die es in dieser Form selbst im immer schon intrigenbegabten Österreich noch nicht geben hatte. Stück für Stück sind die Details der Affären um die bundeseigene Wohnungsgesellschaft Buwog, die Eurofighter, wo angeblich mit 90 Millionen Euro geschmiert wurde, und zuletzt Telekom Austria, die sich in Bulgarien kriminell verzockt haben soll, seitdem ans Licht gekommen. Neuerdings mahlt die österreichische Justiz ein bisschen weniger behäbig.

Schüssel jedenfalls befand auf einmal, es sei Zeit, fast ganz aus der Öffentlichkeit zu verschwinden. Wo tritt man in solch einem Fall zurück? Im Parlament? In den Clubräumen, wie Parteizentralen in Österreich heißen? Beides wäre möglich und wünschenswert gewesen. Was tat Schüssel? Verabschiedete sich, wie es seine Art war, hochmütig und kalt - im Büro der PR-Firma seiner ehemaligen Pressesprecherin. So viel zu Stilfragen.

Werner Faymann soll positive PR für die SPÖ erkauft haben

Summa summarum war das alles ein echtes Desaster für die ÖVP, die unlängst erst den Frontmann ausgetauscht hat - Außenminister Michael Spindelegger ersetzte den gesundheitlich angeschlagenen Josef Pröll als Parteichef -, und es kann deswegen schon sein, dass der kleinere Koalitionspartner danach trachtete, nun auch die SPÖ zu kujonieren.

Wie aber auch immer: auf einmal befinden sich wieder Vorwürfe gegen den amtierenden Bundeskanzler Werner Faymann auf diversen Redaktionstischen, die im Kern seit drei Jahren bekannt sind. Denen nach habe Faymann, der damals unter dem zwischenzeitlichen SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer Infrastrukturminister gewesen ist, Gelder aus dem Marketingbudget der Bahn (ÖBB) erhalten, die wiederum in Anzeigen in Boulevardblättern investiert wurden, damit die positiv über die Bahn und am Ende auch über die SPÖ berichteten.

Im Raum steht der Satz des ehemaligen Kabinettchefs Josef Ostermayer, er habe um "einige Millionen für den Werner" gebeten. Ostermayer bestreitet den Satz ("das ist nicht meine übliche Redensart"), verklausuliert jedoch seine Antworten, wenn es darum geht, ob es Ansinnen dieser Art gegeben haben könne.

Dass Faymann ein Günstling des ehemaligen "Krone"-Patriarchen Hans Dichand gewesen ist, den er angeblich "Onkel Hans" genannt hat, ist bekannt. Und noch heute schont die "Krone" Werner Faymann, dessen insgesamt passables Bundeskanzlertum eben auch - manche sagen, vor allem - eine Idee von Hans Dichand war. Andere Medien sind da weniger zimperlich

Grüne werfen ÖVP "Kuhhandel" vor

Nach dem erstem Vorpreschen gegen Faymann jedoch ist der ÖVP mittlerweile vor der eigenen, na ja, Courage bang geworden. Anders als die Vorwürfe um die Telekom soll die Causa ÖBB/Faymann nun doch nicht in einem Untersuchungsausschuss beleuchtet werden. Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz hat diese Vorgehensweise, oder korrekter: Nicht-Vorgehensweise, bereits als "Kuhhandel" und schlechten Film gebrandmarkt. Untertitel: "Wir vergessen die Inserate von Werner Faymann, und ihr vergesst dafür die Buwog!"

Unterdessen gerät eine heikle Episode der jüngeren Vergangenheit in Vergessenheit, worauf in der neuesten Ausgabe der Wiener Stadtzeitung "Falter" deren kluger und kämpferischer Chefredakteur Armin Thurnher dankenswerterweise noch einmal aufmerksam gemacht hat.

Im ungarischen Pannonhalma nämlich, wo Otto von Habsburg sein Herz bestatten ließ (seine Gebeine ruhen in der Wiener Kaisergruft), hat der erwähnte Außenminister Michael Spindelegger letzthin eine Botschafterkonferenz einberufen lassen.

Rhetorisch brillierten dort allein die beiden Außenminister Ungarns und Italiens, deren Regierungen ständig am Rande der Legalität operieren, wenn sie nicht sogar darüber hinaus zielen. Ein Skandal daheim war das aber nicht. Österreich hat einfach zu viele davon.