Auch wegen der dubiosen Vorgänge während der deutschen Bewerbung um die Fußball-WM 2006, über die Blatter am Wochenende orakelte und die eine Welle der Entrüstung in Deutschland und beim DFB auslöste, kann die Kommission nicht ermitteln. Die Sache ist verjährt. Wie so vieles. Aber vielleicht kann Ocampo wenigstens aufklären, warum sein Landsmann Julio Grondona, Erster Vizepräsident und Finanzchef der Fifa, Konten in etlichen Ländern unterhält, die mit mehr als 120 Millionen Dollar gefüllt sind – fast so viel, wie die ISL-Gruppe einst an Schmiergeld verteilte. Ist das denkbar? Wohl kaum. Man wird auch Grondona in Ruhe lassen. Notfalls entzieht er sich einem Zugriff unbotmäßiger Ermittler durch einen gepflegten Rücktritt. So wie es sein alter Kompagnon aus Brasilien vorgemacht hat, der Fifa-Ehrenpräsident João Havelange, hat. Dessen Ehrentitel will ihm Blatter nun aberkennen und der aufgeregten Öffentlichkeit als Opfer darbieten. Havelange ist einer Bestrafung durch das IOC-Exekutivkomitee mit einem Rücktritt zuvorgekommen.

 

DFB müsste einen außerordentlichen Fifa-Kongress beantragen

Seit 1963 gehörte Havelange dem IOC an. Dass er Millionen von der ISL kassiert hatte, war gerichtsfest bewiesen. Doch wie sagte IOC-Präsident Jacques Rogge? „Herr Havelange ist kein IOC-Mitglied mehr. Für uns ist er Privatmann. Die IOC-Ethikkommission kann sich nur mit IOC-Mitgliedern befassen.“ Voilà, die Quadratur des Kreises war gelungen.Derlei Finten dominieren den olympischen Weltsport mit wenigen Ausnahmen. Blatter wird keine dieser Ausnahmen sein, es sei denn, der DFB macht Ernst, beantragt einen außerordentlichen Fifa-Kongress und Blatters Rücktritt. Doch derlei Erwägungen sind rein theoretischer Natur, und die aufgeregten Schlagzeilen dieser Tage rund um Blatters Bemerkungen zur WM-Vergabe 2006 sind Folklore.

Es gibt aber immerhin Fifa-Exekutivmitglieder, die sich für Details aus der ISL-Einstellungsverfügung interessieren, die seit vergangenem Mittwoch Schlagzeilen macht. Da findet sich für den 5. Juli 2000 eine Notiz, wonach das anonymisierte Kürzel „E 16“ 250 000 Dollar erhalten habe. Einen Tag später, am 6. Juli 2000, wurde in Zürich die WM 2006 an Deutschland vergeben. Ist der Verdacht berechtigt, dass die ISL, die schon im Besitz der WM-Sponsoren- und Fernsehrechte war, nachgeholfen hat? Ein paar Tage später wurden weitere 270 000 Dollar an gleicher Stelle verbucht. Vergleicht man die Angaben aus der Verfügung mit der Anklageschrift im ISL-Prozess, so verbirgt sich hinter „E 16“ die Firma „Organisa for General Trading“ in Kuwait. Man würde es gern genauer wissen. Luis Moreno Ocampo hätte vielleicht das Zeug dazu, derlei Details herauszufinden – allein es fehlt ihm aufgrund der Verjährungsfrist die Befugnis.