Mit einem Teleskop, das in der Öffentlichkeit nicht bekannt war, haben Astrophysiker etwas Sensationelles gemessen. Irgendwas mit Gravitationswellen und Urknall. Eine Presseschau am Tag danach.

Stuttgart - Die Umschreibungen „Nachglimmen“ und „Nachhall“ des Urknalls sind schon vergeben. Damit bezeichnen Wissenschaftsjournalisten eine schwache Wärmestrahlung, die aus allen Richtungen des Weltalls kommt. Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg hat einen anschaulichen Weg gewählt, um diese Strahlung einzuführen: Wenn man in die Tiefe des Alls schaut, schreibt er in seinem Blog, und kein Stern und keine Staubwolke die Sicht versperren, dann blickt man zurück bis zu den Anfängen des Universums. Man sieht, was damals vor 13,8 Milliarden Jahren los war, denn so lange hat die elektromagnetische Strahlung bis zur Erde benötigt. Damals bestand das Weltall komplett aus einem heißen Plasma. Die schwache Strahlung, die man heute als Nachglimmen des Urknalls bezeichnet, stammt von diesem Plasma.

 

Um die aktuelle Nachricht von der Harvard University zu erläutern, könnte man ebenfalls von einem Nachhall des Urknalls sprechen, denn auch hier es geht um Wellen, die vor 13,8 Milliarden Jahren ausgesandt wurden. Doch die Metapher ist schon vergeben und man benötigt eine neue. Nur wenige Medien versuchen es: Im Tagesspiegel ist von einem „Echo des Urknalls“ die Rede, bei Zeit-Online von einem „Geburtsschrei“ und bei Spiegel-Online von einem „Urbeben des Universums“. Der Vergleich mit einem Erdbeben passt ganz gut, denn auch kurz nach dem Urknall wurden große Massen bewegt und die Umgebung in Schwingung versetzt: Das Universum dehnte sich in den ersten Sekundenbruchteilen seiner Existenz explosionsartig aus und erzeugte dabei Gravitationswellen – so hat es der Physiker Alan Guth 1979 vorausgesagt. In einem älteren Video erklärt er, dass er gewissermaßen den Knall in die Urknalltheorie gebracht habe.

Die Vorläufigkeit der Daten geht unter

Vielleicht bekommt man einen Eindruck von Gravitationswellen, wenn man sich vor Augen hält, wie sie gemessen werden (sollen): Die Raumfahrtagenturen Esa und Nasa wollten zum Beispiel eine Distanz von fünf Millionen Kilometern zwischen zwei Satelliten präzise vermessen. Wenn eine Gravitationswelle diesen Teil des Weltraums durchquert, würde das die Distanz um 0,01 Nanometer verlängern oder verkürzen. Die Mission Lisa wurde aber vor dem Start aufgegeben, und auch mit anderen Messgeräten hat man bisher keine Gravitationswelle nachgewiesen.

Die Astrophysiker der Harvard University haben auch keinen direkten Beleg, wollen aber eine Signatur der Gravitationswellen entdeckt haben: Die Polarisation im Nachglimmen des Urknalls sei so, als hätten die Gravitationswellen, die unmittelbar nach dem Urknall entstanden, ihr Profil dieser schwachen Wärmestrahlung aufgeprägt. Der Blogger und Buchautor Florian Freistetter bezeichnet die Entdeckung als ersten „direkten Nachweis über einen der seltsamsten und wichtigsten Vorgänge in der Geschichte unseres Universums“ und lenkt damit die Aufmerksamkeit von den Gravitationswellen auf die Theorie von Alan Guth: Die Entdeckung sei so wichtig, weil sie die explosionsartige Ausdehnung des Weltalls belege. Für indirekte Belege der Gravitationswellen gab es schon 1993 den Nobelpreis.

Die Polarisation der Wärmestrahlung ist im Bild oben dargestellt – was das Bild aussagt, wird allerdings nur in langen Blogs von Physikern für Physiker erläutert. Viele Medien haben sich daher zur Illustration für ein Foto des Teleskops BICEP2 in der Antarktis entschieden, mit dem die Polarisation gemessen worden ist – ein Teleskop übrigens, über das kaum ein Journalist zuvor berichtet hatte.

In der Einschätzung sind sich die Medien einig: Die Bestätigung der Gravitationswellen – und damit die Bestätigung der Theorie der kosmischen Expansion – wird mit dem Nachweis des Higgs-Teilchens verglichen und rückt damit in die Nähe des Nobelpreises. Hier wie dort wird nach Jahrzehnten eine theoretische Vorhersage mit Messdaten belegt. Der Physiker Lawrence Krauss spricht vom Anfang einer neuen Ära: Man verfüge nun über eine Methode, mit der sich womöglich untersuchen lasse, wie das Universum geschaffen wurde. Was macht da schon der routinierte Hinweis, dass man die Daten noch bestätigen – und von Gutachtern eines Fachjournals prüfen lassen – müsse? Stattdessen wird der Blick nach vorn gerichtet: „Now the work really begins“, heißt es im britischen Guardian. Nun müsse man die Gravitationswellen genauer untersuchen, um endlich die „Theory of Everything“ zu formulieren, die sowohl die Relativitätstheorie als auch die Quantenmechanik umfasst. Jede Entdeckung muss als Steilvorlage für weitere Forschungsprojekte herhalten.

(Zum Schluss zwei Funfacts zur kosmischen Wärmestrahlung: In einem Kubikmeter Weltall befinden sich im Durchschnitt 400 Millionen Photonen dieser Strahlung, aber weniger als ein Atom Materie. Und: die Strahlung trägt einen Prozent zu dem Schnee bei, den man bei einem schlecht eingestellten Fernseher sieht.)

Nachtrag: zwei Physiker heben die Vorläufigkeit der Messungen hervor. Matt Strassler von der Harvard University schreibt es in seinem Blog in Rot, und Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik thematisiert es ebenfalls im Deutschlandfunk-Interview.