Kultur: Adrienne Braun (adr)
Gibt es im Rückblick betrachtet in der Kunst Ihrer Kinderzeit Motive oder Ansätze, die auch in Ihren heutigen Arbeiten auftauchen?
Ich habe weniger gemalt, sondern mit Filz und mit Stoffen Collagen gemacht. Ich hatte es schon damals mit Tieren und habe Schnecken mit Nagellack angemalt, weil ich sie bunt schöner fand. Leider sind sie immer gestorben. Ich habe im Grunde wie heute Landschaften, Welten zusammengebaut. Und es hatte auch damals schon gern etwas Morbides.
Halten Sie es für wichtig, Kinder früh an Kunst heranzuführen?
Mein Vater ist Musiker – aber ich bin so unmusikalisch. Musik interessiert mich überhaupt nicht. Mit Jazz kann ich nichts anfangen, das hat es mir so verdorben. Deshalb habe ich meinen Sohn nur selten in Ausstellungen mitgenommen. Museen sind für kleine Kinder schlimmer als ein Zahnarzttermin.
Also keine Kunst für Kinder?
Ich finde es schon wichtig, Kinder mit Kunst zu konfrontieren, aber eher unter dem Aspekt: Wie kann man noch sein? Wie kann ich anders denken? Man kann ein Kind mit Kunst permanent bombardieren – und es hat trotzdem keine Lust auf sie.
Haben Sie Ihren Sohn denn künstlerisch besonders gefördert?
Ich habe ihn, glaube ich, ein bisschen totgefördert, deshalb habe ich damit aufgehört. Es war schwierig. Wenn wir gemeinsam gebastelt haben für Weihnachten oder Ostern, habe ich ihn erschlagen. Ich hatte einfach immer mehr Ideen als er. Er hatte ein Osterei fertig – und ich hatte schon zehn. Das hat dazu geführt, dass er das nicht mehr machen wollte. Ich hab einige geschädigte Freunde, Kinder von Kunstliebhabern und Sammlern, die sagen: „Ich war als Kind in so vielen Museen, dass ich heute Pickel von Kunst bekomme.“
Warum sollen Kinder sich überhaupt künstlerisch ausdrücken?
Es ist wie Tanz, Musik, Bewegung, Sport und gehört dazu wie Mathematik. Ich würde nicht sagen, dass Kunst einen besonders hohen Stellenwert einnehmen sollte, aber sie darf in den Schulen auch nicht abgebaut werden. In uns Menschen ist das Musische und Bildende angelegt, das gab es lange vor der Schrift.
Trotzdem fanden Sie den Kunstunterricht furchtbar.
Wir mussten zum Beispiel eine Banane und einen Apfel abmalen. Da sollte die Perspektive stimmen, der Lichteinfall. Das fand ich so langweilig. Oder wir mussten Karos malen, abwechselnd schwarz und weiß. Mir wäre es lieber gewesen, man hätte gesagt: Male, was du im Kopf hast. Ich mag jetzt die Banane vielleicht halbwegs schlecht abmalen können. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass jemand etwas mit mir hinterfragt, ein Kunstwerk angeschaut und besprochen hätte: Warum hat der Künstler das wohl gemacht? Was bedeutete das in seiner Zeit?
Ist es bei Ihrem Sohn heute besser?
Es hat sich bestimmt einiges geändert. Aber ich habe mich auch schon geärgert, weil er im Kunstunterricht eine schlechte Note bekommen hat. Sie hatten Joan Miró durchgenommen, aber er hat sein Bild nicht mit Aquarell, sondern mit Wachsstiften gemalt. Das ist doch totaler Blödsinn. Warum soll man überhaupt Miró nachpinseln? Man könnte einen eigenen Miró machen, der nachher aber vielleicht ganz anders aussieht.