Geschäfte und Handwerker beklagen Umsatzeinbußen, weil Kunden und Mitarbeiter mit dem Auto nicht vorankommen. Die Baustelle auf der A 8 hat die Situation erheblich verschärft. Christina Almert fordert ein ganzes Paket an Gegenmaßnahmen.

Kreis Böblingen - Neun Kilometer, so lang ist die Strecke zwischen den zwei Baumärkten der Familie Bolay in Rutesheim und Ditzingen. „Gestern habe ich für die Strecke eine Stunde gebraucht“, sagt die Geschäftsführerin Christina Almert, die die Firma gemeinsam mit ihrem Bruder Frieder Bolay leitet. „Wir haben hier langsam einen Verkehrskollaps“, kritisiert Almert mit Blick auf die Auswirkungen der großen Baustelle am Leonberger Dreieck. „Alle Seitenstraßen und Ortsdurchfahrten sind blockiert“, berichtet die Rutesheimer Gemeinde- und Kreisrätin (CDU), die außerdem Vizepräsidentin der IHK-Bezirkskammer Böblingen ist.

 

Dass der Weg von A nach B länger dauert, sorgt für große Probleme. „Uns bleiben zu bestimmten Zeiten die Kunden aus, besonders rund um den Berufsverkehr“, berichtet Almert. Das merke das Familienunternehmen deutlich an den Einnahmen. Aber auch andere Betriebe bekämen das zu spüren.

Kunden und Mitarbeiter stehen ständig im Stau

Die gute Anbindung in der Region Stuttgart verkehre sich gerade in einen Nachteil, wenn sowohl Kunden als auch Mitarbeiter und Zulieferer ständig im Stau stehen. Auch die Gesundheit leide durch die vermehrten Abgase und den ständigen Lärm. „Es stehen immer Menschen dahinter, die darunter leiden.“ Dies allerdings nicht nur durch die Dauerbaustelle auf der Autobahn. „Das ist insgesamt ein Verkehrsproblem“, sagt Christina Almert. Immer mehr Fahrzeuge rollten durch die Region. Schon kleinste Baustellen können zu massiven Problemen führen.

„Es ist so schon schwierig genug im Landkreis. Aber im Moment ist es wirklich extrem“, sagt Marion Oker, die Geschäftsführerin der IHK Böblingen. Je nach Branche könne aber nicht jedes Unternehmen die Hauptverkehrszeiten meiden. „Oft muss man einfach zu bestimmten Zeiten zu den Kunden fahren“, erklärt Oker.

Oft können Fristen nicht eingehalten werden

Dieses Verkehrsproblem habe sichtbare finanzielle Auswirkungen. „Wenn Lieferfristen nicht eingehalten werden oder Mitarbeiter ihre Arbeitszeit im Stau verbringen“, verdeutlicht die IHK-Geschäftsführerin. Gleiches berichtet Thomas Wagner, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Die Handwerker haben einen besonders nahen Kundenkontakt. Aber der Tagesplan ist im Moment total durcheinander. Für Fahrstrecken plane ich momentan das dreifache der üblichen Zeit ein“, berichtet der Glaser aus Magstadt. Alle drei beanstanden besonders den Flickenteppich an Baustellen. „Auch auf den Ausweichstrecken zur Autobahn gibt es viele Baustellen. Da herrscht gar keine Koordination“, kritisiert Wagner. „Jede Kommune macht da ihr eigenes Ding, aber schaut nicht über den Tellerrand hinaus“, meint Christina Almert.

Mit dem Verkehrsproblem ist der Landkreis Böblingen nicht allein, alle Städte und Kreise im Speckgürtel von Stuttgart leiden mehr oder weniger darunter. Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart hat deshalb ein verkehrspolitisches Positionspapier erarbeitet. Gefordert wird darin unter anderem, die im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Projekte zügig umzusetzen. In dem bis 2030 vorausschauenden Plan des Bundesverkehrsministeriums ist unter „vordringlicher Bedarf Engpassbeseitigung“ etwa der sechsspurige Ausbau der A 81 bei Böblingen/Sindelfingen samt Autobahndeckel aufgeführt, den die IHK unterstützt. Aber auch der Verflechtungsstreifen auf der A 8 zwischen Kreuz Stuttgart und Dreieck Leonberg, der nächstes Jahr vollendet werden soll.

Verkehrsachsen sind vollkommen überlastet

Ebenso fordert die IHK den Ausbau überlasteter Verkehrsachsen. Zu denen zählt ohne Frage die Strecke vom Westanschluss Leonberg über die B 295 und B 464 bis zur A 81 in Sindelfingen. In der nächsten Sitzung der Bezirkskammer werde zudem über den Lückenschluss zwischen beiden Bundesstraßen gesprochen, berichtet Marion Oker. Christina Almert geht an dieser Stelle sogar noch weiter. „Die ganze Strecke muss vierspurig ausgebaut werden. Das wäre eine wirkliche Entlastung“, sagt die Kommunalpolitikerin. Eine kurzfristige Entlastung sei fast unmöglich. Aber selbst mittelfristig sei dies kaum möglich. „Das dauert alles viel zu lange“, kritisiert Almert. Der Verkehrsminister Winfried Hermann könne nicht länger die Augen vor der Situation verschließen.

Allein mit Straßenausbau lässt sich das Verkehrsproblem aber nicht lösen, das weiß auch die Unternehmerin. „Es muss ein Gesamtkonzept her, an dem sich alle beteiligen“, meint Almert und nennt Beispiele: ein übergreifendes Baustellenmanagement, mehr Park-and-Ride-Parkplätze, verbesserter Nahverkehr, aber auch mehr Anreize für Fahrgemeinschaften. „Egal ob Kommunen, Kreis, Land oder Bund – jeder macht irgendwas. Das muss zusammengeführt werden.“ Denn eines ist sicher: Die nächste Baustelle kommt bestimmt.