Die Unterbringung von Asylbewerbern löst die Kliniken als Hauptproblem ab. In seiner Haushaltsrede kündigt Landrat Roland Bernhard an, die Kreisumlage auf 39,9 Prozent zu erhöhen und findet deutliche Worte zu den Großkonflikten mit Calw.

Kreis Böblingen - Wenn das Haushaltsrecht das Königsrecht einer jeden Volksvertretung ist, dann ist an diesem Mittwoch ein royaler Feiertag im Kreistag. Alle Amtsleiter sind da, tragen gedeckte Anzüge, das neue Kreisparlament ist nahezu vollzählig – es geht schließlich um Grundsätzliches, um die Richtung der Kreispolitik. Und die wird einmal mehr von Stürmen gestört – das Klinikdefizit bleibt mit 16,9 Millionen Euro hoch, der Streit mit dem Kreis Calw um den Klinikverbund und die Hesse-Bahn gären weiter, und der kaum noch beherrschbare Strom an Flüchtlingen überfordert das Landratsamt.

 

So tritt der Landrat vor „seine“ Kreisräte, erstmals mit einem Headset statt Mikro, angespannte Stille. Es ist Bernhards siebter Haushalt. „Hoffentlich kein verflixter, sondern ein guter“, sagt er. Und nimmt kein Blatt vor den Mund – allein 8,5 Stellen musste der Kreis schaffen, um die Flüchtlinge aufzunehmen, Unterkünfte bauen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, stellt er klar, 1300 Plätze will man bereitstellen. Asylbewerber in Turnhallen unterzubringen, das will Bernhard um jeden Preis vermeiden. „Gerade wir als exportorientierter Landkreis haben eine humanitäre Verpflichtung“, so sein Credo.

Die Gretchenfrage jedes Kreisetats ist die Kreisumlage, diese ungeliebte Abgabe der Kommunen. Sie steigt wieder etwas, auf 39,9 Prozent – so viel ihrer Steuereinnahmen müssen Städte und Gemeinden ans Landratsamt abführen. Und das, obwohl Bernhard dort beim Personal eine „Nulldiät“ diagnostiziert. 8,5 Stellen wurden abgebaut, der aufwendige Sozialetat bei der Jugendhilfe zurückgeschnitten. Dennoch liegen die Sozialausgaben mit 188 Millionen Euro erstmals höher als die Einnahmen durch die Kreisumlage.

Zudem die hohen Defizite der Kliniken, mehr Kosten für Behindertenbetreuung, und eben die Flüchtlinge – es kommt vieles zusammen. Zumal die Steuerkraft, also alle im Kreis gezahlten Steuern, deutlich zurückgehen, auf nur 458 Millionen, vor drei Jahren waren es noch 100 Millionen Euro mehr gewesen. Daimler in Sindelfingen und Porsche in Weissach zahlen viel weniger – der Spitzenplatz des Kreises bei der Steuerkraft im Land ist längst passé. Dennoch baut der Landkreis Schulden ab – und muss doch 50 Millionen Euro tragen, die er mit dem Sindelfinger Anteil am Krankenhaus als Altlast mitgenommen hat.

Die Lage ist also ungemütlich, und durch den Dauerstreit mit dem Nachbarn Calw wird sie nicht behaglicher. Im Gegenteil, Bernhard kündigt einen Brief ans Sozialministerium an, in dem er klarstellt: „An der Zusammensetzung des Klinikverbundes Südwest ändert sich nichts.“

Will sagen: also auch nichts beim Zuschussantrag für das Zentralklinikum auf dem Flugfeld, für den am 20. November eine Grundsatzentscheidung auf Landesebene fällt. „Ich musste den Gerüchten ein Stopp entgegensetzen“, sagt er zu seinem deutlichen Statement nach Calw wegen deren Ausstiegsgedanken. Und auch bei der Hesse-Bahn stellt der Landrat klar: „Die Calwer müssen ihre Hausaufgaben machen.“ Zudem liege ihm die Schönbuchbahn viel mehr am Herzen.

So müht sich der Kreischef, einerseits den Kreisräten und Bürgermeistern die aus seiner Sicht notwendig hohe Kreisumlage schmackhaft zu machen und dennoch Optimismus zu verbreiten. Dazu zitiert der 57-jährige sechsfache Familienvater gerne auch mal Karl Valentin: „Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind.“

Und eine süße Botschaft hat Bernhard dann doch noch im Gepäck: Die auf dem Dach des Böblinger Landratsamts angesiedelten Bienen – die übrigens aus Leonberg stammen – haben schon 50 Kilogramm Kreis-Honig geerntet – die ersten Gläser davon gab es schon im Kreistag mal zur Anschauung, und – später – zur Verköstigung.