Der Kreisdiakonieverband Esslingen bietet ein Projekt an, dass Messies helfen soll, wieder Struktur in ihr Leben zu bringen. Denn hinter hoffnungslos vermüllten Wohnungen steckt weit mehr als nur die Unfähigkeit, Ordnung zu halten.

Kreis Esslingen - Die Arbeit von Monika Moll und Heike Blankenhorn-Frick erfordert mitunter starke Nerven. Denn die beiden Mitarbeiterinnen des Kreisdiakonieverbands (KDV) helfen Menschen, deren Wohnungen verwahrlost oder vermüllt sind. Seit gut einem Jahr bietet der KDV diesen Fachdienst an. Am Dienstag hat er das nun seit vergangenen Februar dauerhaft angelegte und vom Landkreis Esslingen unterstützte Konzept vorgestellt.

 

Menschen, die ihre Wohnung hoffnungslos verwahrlosen und vermüllen lassen, benötigen Hilfe. Denn die im Volksmund „Messies“ Genannten haben weit mehr Probleme als die Unfähigkeit, Ordnung zu halten. Denn oft sind es einschneidende Umbrüche oder psychische Erkrankungen, die das Leben derart aus den Fugen geraten lassen. Eberhard Haußmann, der KDV-Geschäftsführer, schätzt im Kreis Esslingen die Zahl von Haushalten, die sich in einem solch desolaten Zustand befinden, auf 80 bis 100. Den Betroffenen zu helfen, „passt gut in unser Portfolio und ist eine Ergänzung unseres Angebots“, erklärt der Dekan Bernd Weißenborn, gleichzeitig KDV-Vorsitzender.

Die Angst, sich von Dingen zu trennen

„Wohnraumarbeit mit Menschen in desorganisierten Haushalten“, kurz Wabe, ist der etwas sperrige Namen für das zunächst von der Aktion Mensch und der Kreissparkassenstiftung geförderte und jetzt etablierte Projekt. Eberhard Haußmann zufolge war es nicht einfach, Mitarbeiterinnen für diesen Dienst zu finden. Doch seit einem Jahr haben sich Monika Moll und Heike Blankenhorn-Frick in die schwierige Materie eingearbeitet. Sie unterscheiden zwischen Messies, die Angst davor haben, sich von Dingen – und seien sie noch so unnütz – zu trennen. Und sie betreuen Menschen, die unter einer Suchterkrankung, dem sogenannten Vermüllungssyndrom, leiden. Von 23 betroffenen Personen – neun Frauen und 14 Männer –, die sie im vergangenen Jahr begleitet haben oder in naher Zukunft noch begleiten werden, seien nur vier der letzteren Gruppe zuzuordnen.

Pro Hilfsmaßnahme veranschlagen die beiden Frauen jeweils ein Jahr. In dieser Zeit helfen sie Messies in kleinen Schritten, wieder Struktur in ihr Leben und Ordnung in ihre Wohnung zu bekommen. Bei jeweils einem Termin wöchentlich „nehmen wir immer ein Paar Sachen mit“, erzählt Moll. Nach und nach verringere sich so der gigantische Berg, der sich im Laufe vieler Jahre angesammelt habe. Und stets stelle es die Menschen vor schwere Entscheidungen, sich von Dingen zu trennen. „Das ist für sie sehr anstrengend“, berichtet Blankenhorn-Frick.

Messies sind oft „sozial isoliert“

Um Hilfe bitten viele Betroffene selbst, weil der Druck zu groß geworden sei. Aber die Initiative gehe auch von Vermietern, Angehörigen und Nachbarn aus. Oft seien die Messies „sozial isoliert“, sagt Monika Moll, aber es gebe auch Klienten, die sich außerhalb ihres desorganisierten Haushalts über die Maßen im Beruf oder in ihrer Freizeit engagieren. Wichtig sei es für die Betroffenen, die in allen Gesellschaftsschichten zu finden seien, sich Ziele wie „ich möchte wieder Besuch empfangen können“ oder „ich will, dass der Heizungsableser rein kann“ zu stecken. Bei ihnen müsse zudem die Erkenntnis reifen, „ich tue etwas für mich, wenn ich etwas weg bringe“, sagt Monika Moll. In manchen Fällen sei parallel eine psychologische Beratung oder Therapie sinnvoll, in jedem Fall aber eine Nachbetreuung durch den KDV.

Sie und ihre Kollegin sehen beim ersten Betreten der Wohnungen Dinge, die zum Teil die Vorstellungskraft übersteigen. Etwa in jener einer älteren Frau, in deren Küche Heike Blankenhorn-Frick Undefinierbares vorfand, „von dem ich nicht wusste, was es ist und ob es lebt“. Insgesamt habe sie 35 Restmüllsäcke allein aus diesem Raum geräumt. Und Monika Moll erinnert sich an die nicht mehr zu benutzende Toilette eines Messies, aus der sie Sammelgut entfernt hat, das in 25 großen Müllbeuteln zum Abtransport verstaut werden musste.

Eberhard Haußmann rechnet mit einer großen Nachfrage an dem Hilfsangebot, wenn es erst einmal bekannt sei. Eine Ausweitung sei deshalb geplant, etwa durch die Schaffung einer zusätzlichen halben Stelle oder die Gründung von Selbsthilfegruppen.