Der Wolf bringt sich also selbst in Gefahr, wenn er sich in die Zivilisation begibt.
Rösler In eine spezielle Form von Zivilisation. Es ist der Autoverkehr, der ihn am meisten gefährdet. Die ein, zwei Wölfe, die vielleicht schon unerkannt in Baden-Württemberg rumlaufen, was ich für sehr wahrscheinlich halte, kommen eher aus der alpinen Population. Entweder aus den Vogesen oder aus der Schweiz, wo nur 60 Kilometer südlich von Baden-Württembergs ein Rudel lebt. Das heißt: an einem Tag können sie da sein. Baden-Württemberg ist quasi schon eingekreist, von Süd und West, auch in Südhessen wurden kürzlich Wölfe beobachtet und ganz aktuell recht sicher auch in Rheinland-Pfalz. Also irgendwann in den nächsten zehn Jahren werden Wölfe recht wahrscheinlich nicht nur als Einzeltiere im Ländle leben.
Herr Wörner, wie würden Sie Ihre Herde schützen?
Wörner Es gibt Elektrozäune. Aber wer soll die jeden Tag aufstellen, wenn man jeden Tag woanders hinzieht. Das sind täglich drei Stunden mehr Arbeit. Man braucht die Fläche für die Befestigung. Das muss man ja um den normalen Pferch herum aufstellen. Denn wenn der Wolf den Zaun berührt, bekommen die Schafe ja Panik und schmeißen den Zaun um. Das ist viel Arbeit zusätzlich zum anderen Geschäft hinzu.
Sie haben doch aber einen Hund?
Wörner Ja, aber einen Hütehund.
Würden Sie dann sagen, der Wolf muss abgeschossen werden? Wie würden Sie sich zur Wehr setzen?
Wörner Da muss man jetzt mal abwarten, ob was passiert. Aber zumindest sollte man einen schießen dürfen, wenn was ist. Man muss ja nicht gleich sagen, dass der Wolf gar nicht abgeschossen werden darf. Aber man muss auch nicht gleich alle totschießen, wenn sie kommen. Dafür bin ich auch nicht. Man muss abwägen, wie sich das entwickelt. Wenn es zu viele werden, muss halt mal geschossen werden.
Sehen Sie das auch so, Herr Rösler?
Rösler Der Unterschied ist gar nicht so groß. Zuerst darf man den Wolf im Moment nicht abschießen. Das darf man erst, wenn es eine stabile Population gibt. Das sind 1000 Tiere. Die haben wir im Moment noch nicht. Aber man darf auch jetzt einen Wolf, der Tollwut hat oder sich komisch verhält, abschießen. Da gibt’s den Paragrafen 45 im Bundesnaturschutzgesetz, auf dessen Basis wir selbst geschützte Tiere in begründeten Fällen abschießen können.
Dürfte Herr Wörner einen Wolf abschießen, der seine Herde angreift?
Rösler Nein, so einfach geht das nicht. Da muss man einen Antrag laut Naturschutzgesetz stellen.
Sie würden sich aber im Grunde freuen, Herr Rösler, wenn der Wolf hier auftaucht.
Rösler Dann würde ich sagen, er gehört zur biologischen Vielfalt. Aus der Sicht des Naturschutzes ist das eine erfreuliche Nachricht. Und für die Schäfer ist das eine problematische Nachricht. Als Landespolitiker sehe ich beides. Deshalb muss man beides unter einen Hut bringen.