Das Landratsamt wird weiterhin die Kindertagespflege koordinieren – nicht alle halten das für sinnvoll.

Ludwigsburg - Es war eigentlich nur eine Notlösung gewesen, als das Landratsamt vor zwei Jahren die Aufgaben des insolventen Tagesmüttervereins übernommen hatte. Nun soll diese Konstruktion eine Dauerlösung werden, das hat der Kreistag gestern einstimmig beschlossen. Man will vor allem eines: Kontinuität. Doch nicht alle sind begeistert von der Idee. Immerhin wären auch andere Organisationsformen möglich gewesen.

 

So hatte die Liga der freien Wohlfahrtsverbände bereits Anfang 2013 wissen lassen, dass sie die Kindertagespflege gerne übernehmen würde. Zudem hatten einige ehemalige Mitglieder des auseinander gebrochenen Tagesmüttervereins eigens eine Nachfolgeorganisation gegründet, um parat zu stehen, wenn das Landratsamt die Aufgaben wieder abgibt. Doch im Kreishaus hatte man kräftig Gas gegeben und innerhalb kürzester Zeit das Kompetenzzentrum Kindertagespflege aufgebaut, das nicht gerade nach einer vorübergehenden Lösung aussah.

Akteure zeigen sich zufrieden

Allerdings zeigen sich die betroffenen Akteure nun durchaus zufrieden mit der angestrebten Konstellation. Immerhin haben sie alle an der künftigen Struktur der Kindertagesplege im Kreis mitgewirkt: In den vergangenen Monaten sei diese in vielen gemeinsamen Gesprächen und Sitzungen erarbeitet worden, heißt es.

Unter anderem ist nun ein Beirat geplant, in dem die Liga der freien Wohlfahrtsverbände, der Tagesmütterverein aus Bietigheim-Bissingen und der Ludwigsburger Tageselternverein sowie Vertreter des Landratsamtes und eventuell einiger Kommunen vertreten sein werden. Diese Einflussmöglichkeit sei den freien Trägern sehr wichtig, sagt Hendrik Rook, Geschäftsführer der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz, im Namen der Liga. Schließlich solle im Beirat die Kindertagespflege konzeptionell weiter entwickelt werden. Zudem sei ein gemeinsamer Auftritt nach außen geplant: alle Beiratsmitglieder sollen mit ihrem Logo auf den Werbematerialien des Kompetenzzentrums vertreten sein. „Das zeigt, dass unsere Einbindung ernst gemeint ist“, findet Rook.

Er sei inzwischen davon überzeugt, dass keiner der einst an der Übernahme der Kindertagespflege interessierten Akteure diese komplexe Aufgabe allein hätte stemmen können, sagt Hendrik Rook: weder der Kreis noch die Liga noch die Vereine. In diesem Sinne sei auch die Vereinbarung zu verstehen, dass der Landkreis Beiratsmitglieder oder Dritte mit Aufgaben beauftragen kann. So seien die freien Träger bereits in die Qualifikation der Tageseltern involviert.

Kritik von der CDU-Fraktion

Das sehen nicht alle so. Schon in der Vergangenheit hatte sich die CDU-Kreistagsfraktion kritisch über das Engagement des Landratsamtes in der Kindertagespflege geäußert. Insbesondere der CDU-Rat Ralf Trettner zeigte sich nun gar nicht erfreut über die nun langfristig angestrebte Konstruktion: „Für uns gilt das Subsidiaritätsprinzip: Wenn ein Verein die Aufgabe gut erledigen kann, dann ziehen wir diese Lösung vor“, sagte er. Zumal der Kreistag im vergangenen Jahr beschlossen habe, aus einem breiteren Bewerberfeld für diese Aufgabe auszuwählen – und nun gebe es wieder nur einen Bewerber: den Kreis.

Seine Fraktion hätte sich gewünscht, dass angesichts der wechselvollen Geschichte der Kindertagesbetreuung die Begleitung der Tagesmütter und deren Kontrolle nicht aus einem Büro komme, so Trettner. Insgesamt habe man sich aus seiner Sicht nun lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Dennoch: Obwohl sie damit unzufrieden sei, stimme seine Fraktion dem Vorschlag der Verwaltung zu – aber nur, weil die Tageselternvereine diesen als gute Lösung für sie ansähen.

Auch ihre Fraktion habe lange gezögert und das Für und Wider dieser Lösung erörtert, sagte die Grünen-Rätin Barbara Bader im Kreistag. Doch letztlich habe die Kontinuität den Ausschlag dafür gegeben: die erprobten Strukturen böten Eltern und Tagesmüttern Sicherheit. Verlässlichkeit und Qualität hätten allerdings auch die freien Träger bieten können, betonte Hannelore Bader (SPD), „wenn sie uns nur gesagt hätten, wie sie es machen wollen“.

Ungewöhnliche Konstruktion in Ludwigsburg

Die Ludwigsburger Konstruktion ist in der Tat speziell. Es gebe zwar auch andere Landkreise, in denen das Jugendamt die alleinige Verantwortung für die Kindertagespflege habe, sagt Heide Pusch, Geschäftsführerin des Landesverbandes der Tagesmütter-Vereine Baden-Württemberg. Aber es sei sehr ungewöhnlich, dass ein Kreis einen bestehenden Tagesmütterverein von seiner Verantwortung entbinde. Nun habe das in Ludwigsburg ja seine Gründe gehabt (siehe Infobox: Zusammenbruch und Neuanfang).

Aber auch von einem Beirat in dieser Form habe sie noch nicht gehört, sagt Heide Pusch: „Diese Einrichtung begrüßen wir, denn das bedeutet, dass die Vereine eingebunden werden.“ Grundsätzlich sehe ihr Verband es nämlich positiv, wenn Vereine die Tagespflege organisierten. Denn diese seien meist besser vor Ort verankert, zudem hätten viele Eltern Hemmungen, ihr Kind beim Jugendamt zur Betreuung anzumelden. Außerdem sehe das Sozialgesetzbuch die Subsidiarität vor.

Zusammenbruch und Neubeginn

Vorgeschichte:
Im Jahr 2012 musste der Tagesmütterverein Ludwigsburg Insolvenz anmelden, nachdem zahlreiche Unregelmäßigkeiten in der Buchführung entdeckt worden waren und der damalige Vorsitzende angezeigt worden war. Hals über Kopf sprang der Landkreis als Koordinator ein und baute in kürzester Zeit das Kompetenzzentrum Kindertagespflege auf. Ursprünglich galt diese Struktur nur als Übergangslösung. Im April 2013 entschied der Kreistag jedoch, dass das Landratsamt die Kindertagespflege bis Ende 2015 weiter koordinieren solle. Seither schwebt die Idee im Raum, dieses Konstrukt langfristig so zu belassen.

Kompetenzzentrum:
Inzwischen sind 421 Tagesmütter beim Kompetenzzentrum Kindertagespflege registriert. Aktuell betreuen 336 von ihnen insgesamt 1037 Kinder, davon sind etwas mehr als die Hälfte jünger als drei Jahre. Das Kompetenzzentrum verfügt momentan über 8,5 Vollzeitstellen.