Das Bündnis reagiert damit auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Vor einem Gipfel in Brüssel erteilt Generalsekretär Stoltenberg einer Flugverbotszone erneut eine Absage.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Natürlich lässt sich Wolodymyr Selenskyj diese Gelegenheit nicht entgehen. Der ukrainische Präsident wird sich am Donnerstag per Video an die Staats- und Regierungschefs der Nato-Mitglieder richten. Die Teilnehmer des Sondergipfels in Brüssel könnten „Selenskyj dann direkt über die katastrophale Situation sprechen hören, in der sich das ukrainische Volk wegen der Aggression Russlands befindet“, heißt es aus den Reihen des Bündnisses.

 

Der Mut des ukrainischen Präsidenten

Der Präsident hat sich mitten aus dem Krieg in Kiew bereits an mehrere Parlamente in verschiedenen Ländern gewandt. Für seinen Mut erntete der Präsident zwar immer sehr viel Applaus, stieß mit seinen sehr weitgehenden Forderungen nach mehr aktiver Unterstützung im Krieg meist auf taube Ohren. Auch die Nato hat bereits im Vorfeld des Gipfels in Brüssel sehr deutlich gemacht, wo die Grenzen der Hilfe liegen. Die Allianz liefere der Ukraine bereits „eine bedeutende Menge an wichtiger Militärausrüstung“, heißt es aus dem Hauptquartier. Die Mitgliedsstaaten wollten auf dem Gipfel prüfen, was sie „zusätzlich tun können“, um ihre Unterstützung zu verstärken, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Eine Absage erteilte er aber der von Selenskyj mit großem Nachdruck geforderten Flugverbotszone über der Ukraine.

Die Verantwortlichen bei der Nato zeigen sich immer wieder erstaunt, dass etwa auch in Deutschland in Teilen der Bevölkerung ernsthaft die Möglichkeit diskutiert wird, eine Flugverbotszone über der Ukraine einzurichten. Man könne angesichts der fürchterlichen Bilder aus den zerstörten Städten den Wunsch verstehen, dass das Bündnis sich stärker engagiere, heißt es aus den Reihen der Nato. Auf der „emotionalen Ebene“ sei das verständlich, aber die „militärischen Konsequenzen wären entsetzlich“. Übersetzt heißt das, dass ein Weltkrieg ausbrechen könnte, mit russischen Raketen auf Berlin, Paris oder London - und womöglich dem Einsatz von Atomwaffen.

Mehr Waffen für die Ukraine

Aus diesem Grund wird es als auch beim Nato-Treffen in Brüssel vor allem um weitere Waffenlieferungen gehen. Zur selben Zeit werden allerdings auch neue Sanktionen gegen Russland ein Thema werden, die auf den gleichzeitig stattfindenden Gipfeln der Siebener-Gruppe wichtiger Industriestaaten (G7) und der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) besprochen werden. Besonderes Gewicht verleiht die Anwesenheit von US-Präsident Joe Biden. Sein Sicherheitsberater Jake Sullivan hat bereits angekündigt, dass in Brüssel die „nächste Phase“ der militärischen Unterstützung für die Ukraine angekündigt werde. Es gehe Washington auch um „ein weiteres Sanktionspaket“ gegen Russland. Diskutiert wird auch die dauerhafte Verstärkung der sogenannten Ostflanke des Bündnisgebietes. Nato-Generalsekretär Stoltenberg wiederholte am Mittwoch, dass die Nato in den vergangenen Wochen bereits Zehntausende Soldaten in die Region verlegt habe und er kündigte weitere militärische Unterstützung an. So sollen zusätzliche Kampftruppen in Bulgarien, Rumänien, Ungarn und der Slowakei stationiert werden. Die Entscheidung dazu würden die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel treffen. Bislang hat die Nato nur in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen dauerhaft multinationale Verbände stationiert. Normalerweise sind sie etwa 1000 Soldaten stark. Die Ausweitung der Präsenz bedeutet, dass künftig von der Ostsee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden Nato-Truppen präsent sein werden.

Die Nato schickt Truppen nach Osteuropa

Stoltenberg betonte, dass dies nur die unmittelbare Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine sei. In den nächsten Wochen werde auch die längerfristige Aufstellung der Nato in der Region überarbeitet. Bereits vor einigen Tagen hatte der Generalsekretär den Bündnisstaaten dazu Vorschläge unterbreitet. Brisant wäre solch ein Schritt, weil er aus russischer Sicht vermutlich nicht mit der Nato-Russland-Grundakte vereinbar ist. Darin hat sich die Nato unter anderem verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung „substanzieller Kampftruppen“ im östlichen Bündnisgebiet zu verzichten. Stoltenberg machte allerdings auch am Mittwoch deutlich, dass Russland nicht erwarten könne, dass sich das Bündnis noch an alle Vereinbarungen der Nato-Russland-Grundakte aus dem Jahr 1997 hält. Schon vorher hatte er erklärt, dass die Grundakte einen klaren Bezug zum Sicherheitsumfeld im Jahr 1997 habe, als man Russland noch als strategischen Partner gesehen habe. Das habe sich grundlegend geändert.

Russland soll das nukleare Säbelrasseln stoppen

Das heißt, dass die Militärführung der Nato in den kommenden Wochen, Optionen für die Verstärkung der Abschreckung und Verteidigung gegen Russland entwickeln wird. Neben der Stationierung von substanziell mehr Streitkräften im östlichen Teil des Bündnisgebiets ist offensichtlich auch angedacht, die Luft- und Seestreitkräfte unter Nato-Kommando sowie die Fähigkeiten im Bereich der Cyberabwehr und im Weltall zu stärken.

Zudem betonte Stoltenberg am Mittwoch erneut, dass Russland es unterlassen solle, mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen wie biologische, chemische oder atomare Waffen zu drohen. „Russland muss das nukleare Säbelrasseln stoppen“, sagt Stoltenberg in Brüssel. „Ein nuklearer Krieg kann niemals gewonnen werden und sollte auch nicht geführt werden.“