Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Wurde jahrelang zu wenig getan, weil es keine Wählerstimmen gebracht hat?
Seit den neunziger Jahren hat sich das keine Partei auf die Fahne geschrieben. Im Gegenteil: Der schlanke Staat war das Gebot der Stunde – so wenig Staat wie möglich. Innere Sicherheit ist dann geeignet, die Stimmung kippen zu lassen. So hat speziell die CDU schon verkündet, dass dies im Bundestagswahlkampf ein Schwerpunkt sein wird – das haben wir in den vergangenen 20 Jahren bei keiner Partei gesehen.
So gesehen können Sie der AfD noch dankbar sein, weil sie den Blickwinkel verändert?
Der Fokus hat sich durch die Zuwanderung und Ereignisse wie Silvester in Köln verändert – nicht durch die AfD. Ich sehe auch die politisch motivierte Kriminalität: mit einer dramatischen Zunahme der Gewalt gegen Flüchtlingsheime. Mich wundert, dass da noch keiner gestorben ist. Da sind die AfD und die CSU eher geistige Brandstifter. Wir haben auf die erkennbaren Entwicklungen schon lange hingewiesen – auch bei Einführung der Freizügigkeit im Schengen-Raum, selbst wenn wir als BDK pro Europa sind. Da war die Auskunft auch vom Bundesinnenministerium: Das ist der Preis, den wir zu zahlen haben. Jetzt sieht man, dass Teile der Bevölkerung dies anders sehen. Es kann aber nicht sein, dass Politik immer erst den größtmöglichen Schaden braucht, um zu reagieren. Da würde man sich auch mal Nachhaltigkeit und einen gewissen Weitblick wünschen.
In Baden-Württemberg ist die Zahl der Einbrüche zurückgegangen – im Bundestrend nach oben. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Obwohl Baden-Württemberg und Bayern reichere Bundesländer sind, wo viel zu holen wäre, waren sie immer deutlich weniger betroffen als etwa Berlin, Hamburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen. Das hat verschiedene Gründe: Täter mögen die Anonymität und Infrastruktur von großen Ballungsgebieten – während im Süden die Sozialkontrolle noch eine andere ist, ebenso die Polizeidichte. Das Entdeckungsrisiko steigt dort somit. Und es spricht sich bei den Tätern herum, dass man dort härter abgeurteilt wird als im Norden der Republik.
Auch das soziale Gefälle ist im Norden und Westen größer?
Das auch. Wir können nicht alles den reisenden Tätern zuschieben. Es gibt viele verschiedene Täter – zu einem erheblichen Maße die Beschaffungskriminalität, die in Berlin oder Hamburg eine andere Rolle spielt. Es gibt aber auch viele jugendliche Kriminelle, die davon leben oder Spielsüchtige. Zudem müssen wir ehrlich sein: Bei Wohnungseinbrüchen haben wir eine beschämende Aufklärungsgesamtquote von 15,2 Prozent – die niedrigste in den vergangenen zehn Jahren. Die Verurteiltenquote ist auch im Süden nicht anders: Sie liegt bei ein bis drei Prozent. Das heißt, 97 Prozent der Täter gehen unbehelligt davon.
Glauben Sie, dass der Staat die Bürger mit den Problemen im Stich lässt?
Zum Teil ist das so. Eine der Grundfesten unseres Zusammenlebens beruht darauf, dass man einen Teil seiner individuellen Freiheit abgibt und dafür ein Stück Sicherheit bekommt. Man hat ein verfassungsrechtliches Grundrecht darauf, dass Polizei nach besten Möglichkeiten für Sicherheit sorgt. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, fühlt sich der Bürger im Stich gelassen.
Braucht es schärfere Gesetze?
Meistens liegt es nicht daran, dass Gesetze nicht scharf genug sind. Aber gerade bei Wohnungseinbrüchen könnte man sich fragen, ob die Relation der möglichen Strafen zum Beispiel zum einfachen Raubdelikt noch stimmt, wenn man an die hohe psychische Belastung der Einbruchsopfer denkt. Da sollte man explizit beim Wohnungseinbruchsdiebstahl überlegen, ob man das zum Verbrechenstatbestand macht, um den Gerichten eine andere Handhabe zu geben und ein deutliches Zeichen zu setzen.