Das Hinterland des kroatischen Küstenstreifens Istrien ist bei Feinschmeckern beliebt.

Motovun ist magisch. Das Dorf mit dem charakteristischen venezianischen Turm thront 300 Meter hoch auf einem Hügel über dem grünen istrischen Hinterland. Eine steile Gasse windet sich hinauf in die Altstadt und hinein in eine andere Zeit. Ein mächtiges Stadttor, zwei Kirchen, der Wachtturm, venezianische Paläste, ein mittelalterlicher Brunnen – ein verträumter Flecken mit Patina. Außer ein paar bunt ausstaffierten Restaurants und Läden gibt es nichts Neuzeitliches.

Knapp 30 Kilometer hinter der felsigen Adriaküste zeigt Kroatien seine sanfte Seite. Hügeldörfer wie Motovun, Groznjan und Oprtalj, die ihre typischen schlanken Türme und die dicken Festungsmauern der Zeit der Herrschaft Venedigs über Istrien verdanken, sind die Landmarken in einer mediterranen Bilderbuchszenerie. Weinberge, Olivenhaine und Flussläufe lösen sich ab mit Trüffelwäldern und Anhöhen. Der Norden Istriens mutet italienisch an, nur ursprünglicher, als sei die Zeit stehengeblieben.
Das hügelige Land ist dünn besiedelt, aber voller Überraschungen. Ein Landurlaub in Istrien ist weniger ein Urlaub zwischen gackernden Hühnern und Misthaufen, sondern eher eine kulinarische Entdeckungsreise. Mehr als 200 Bauernhöfe, Gasthöfe, Winzerbetriebe, Landhäuser und familiär geführte Hotels listet der Tourismusverband Istriens als agrotouristische Betriebe auf. Dazu gehört der Bauernhof von Orjeta und Izak Toncic nördlich von Motovun. Auf ihrem Hof kann man zwar nicht wohnen, aber vorzüglich essen. Die Spezialität der Toncics ist Prsut, typischer istrischer Schinken. Das Fleisch liefern Schweine aus dem eigenen Stall, der Nachbar schlachtet, und Orjeta stellt nach Familienrezept den Schinken her.
Die Trüffel, die bei Toncics scheibchenweise mit Ravioli serviert werden, sind der Stolz der Istrier. Die Pilze werden in den Wäldern um Motovun von Hunden erschnüffelt und wie Edelsteine gehandelt. Seit dort 1999 der weltgrößte Trüffel (1,3 Kilo, angeblicher Marktwert 180.000 Euro) gefunden wurde, hat sich ein dickes Geschäft um das edle Gewächs entwickelt. In jeder Konoba, istrische Variante der Taverne, findet man sie auf der Speisekarte, in jedem Dorf sind sie zu haben.
Auch mit Olivenöl ist das Land reich gesegnet. Zwei Dörfer und eine kurvige Landstraße vom Hof der Toncics entfernt hütet Klaudio Ipsa seine Olivenhaine. Ipsa bewirtschaftet 1200 Bäume, einige bis zu 250 Jahre alt, und hat mit seinen kaltgepressten Ölen etliche internationale Auszeichnungen eingeheimst. „Istrien hat genügend Sonne, genügend Wind und genügend Wasser für meine Bäume“, schwärmt Ipsa.

Schon sein Urgroßvater machte in dem kleinen Dorf Livade in Öl, aber der scherte sich sicherlich noch nicht um das richtige Marketing. Das wiederum beherrscht Klaudio – im Erdgeschoss seines Anwesens zeigt er stolz seine High-Tech-Edelstahltanks, erzählt, wie seine „heiligen Bäume“ in Handarbeit geerntet werden, und die (bittere) Ölverkostung zelebriert er wie eine Weindegustation.
Ähnlich wie der Olivenanbau hat sich auch der Weinbau nach den dürren Tito-Jahren und der Bürgerkriegszeit in Istrien berappelt. Ein Landurlaub wäre nicht rund, würde man nicht auch bei einem der 350 Winzer vorbeischauen. Einige Betriebe bieten Betten und Gastronomie an, andere konzentrieren sich auf den Weinbau. Was alle eint, ist die Liebe zur einheimischen Rebsorte Malvasija. Meisterhaft versteht sich Marino Markezic auf diesen frischen Weißwein – und das passende Wohlfühlambiente. Sein Weingut Kabola bei Momjan ist ein Schmuckstück, ein gediegenes Landgut mit Toskana-Flair. Einen Teil seiner Ernte verbuddelt er in der Erde hinterm Haus, dort keltert Markezic den Wein wie die Römer in Amphoren.
Trüffel, Pasta, bestes Olivenöl, frischer Adria-Fisch und eine Flasche Malvasija sind in Istrien überall zu haben. Feine Zutaten für einen rustikalen Urlaub in einem Landhaus. Ähnlich den Fincas in Spanien sind immer mehr verlassene Landgüter zu komfortablen Ferienunterkünften umgebaut. Silva Pregara hat sein Gehöft in Buje in eine prächtige Villa mit vier Apartments verwandelt. Mit Pool, Garten und Grillhütte, hinterm Grundstück führt ein Wanderweg in ein lichtes Wäldchen, in der Ferne glitzert das Mittelmeer.
Der Zauber des Ländlichen wird auch in Motovun gepflegt. Erika Legovic, Inhaberin des einzigen Hotels am Platz, erklärt die magische Ausstrahlung des Städtchens esoterisch. Auf dem Berg von Motovun sammle sich seit Urzeiten eine geheimnisvolle, heilende Kraft, die sich vor 3000 Jahren schon die Illyrer zunutze gemacht hätten. Ihr Hotel Kastel, untergebracht in einem venezianischen Palast aus dem 17. Jahrhundert ganz oben auf dem Hügel, ist auf jeden Fall ein ganz besonderer Ort. Im Garten direkt an der Festungsmauer wiegen sich die Palmen im Wind, unter einer alten Kastanie auf dem Vorplatz wird das Abendessen serviert. Nach Sonnenuntergang sind die wenigen Hausgäste unter sich. Das Land liegt im Dunkeln, auf dem Hügel zieht Stille ein, höchstens unterbrochen vom Gebell eines Trüffelhundes aus dem Dorf.