In den letzten sechs Jahren bekam das Königreich drei Weltkulturerbe-Stätten zugesprochen, neben der Altstadt von Dschidda und der Lehmstadt Diriyah, der ersten Hauptstadt der saudischen Herrscherdynastie im 18. Jahrhundert, auch die berühmte präislamische Nabatäerstadt Madein Saleh. Das Nationale Museum in Riad wurde eröffnet, demnächst sollen 14 regionale Museen hinzukommen, um das kulturelle und zivilisatorische Bewusstsein der Bevölkerung neu zu beleben. Historisch gesehen war Saudi-Arabien durch den Fernhandel der Karawanen immer ein Schnittpunkt zwischen Ost und West, erläutert Ali Ibrahim al-Ghabban. Und wie stark diese halbvergessene polyglotte Geschichte des Königreichs bis heute fasziniert, zeigt in seinen Augen die Ausstellung „Roads of Arabia“, die bisher weltweit über zwei Millionen Menschen anzog.

 

Der Weg in die Ausstellungsräume von Mohammed A. Hafiz und Hamza S. Serafi in der Hafenstadt Dschidda dagegen führt über das unwirtliche Parkdeck der Serafi Mega Mall. Auf zwei Etagen haben sich hier die beiden saudischen Galerie-Pioniere eingerichtet. Seit 2009 haben sie sich dem verwegenen Projekt verschrieben, in Saudi-Arabien ein Zentrum für moderne Kunst aufzubauen, das sich auch international sehen lassen kann. „Atha“, zu deutsch „Wirkung“, nannten sie ihre Galerie, die nahezu ein Unikum im gesamten Königreich ist. „Wir haben angefangen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum“, sagt Hamza Serafi, eine wuchtiger Mann mit dröhnender Stimme, der alles sammelt, was ihm in die Quere kommt. Heute quillt sein Büro über mit selbst gehobenen Schätzen aus aller Welt, vom gehörnten Ritterhelm zum Super-8-Projektor, von abstrakten Basalt-Skulpturen bis zu einem überdimensionalen Bar-Code, gerahmt mit dicken ornamentalen Goldleisten.

Für die erste Teilnahme auf der Art Dubai 2009 mussten er und sein Partner Mohammed Hafiz noch heftig ihre Beziehungen spielen lassen. Die Veranstalter wiesen den ambitionierten Anfängern damals einen Ministand direkt neben den Toiletten zu, eine subtile Demütigung, die heute längst vergessen ist. „Die Kunstszene im Königreich steckt noch in den Kinderschuhen“, sagen die beiden. In den Schulen gebe es keine Kunsterziehung, in den Medien gebe es keine Kunstkritiker, für die Künstler gebe es keine Infrastruktur. Die meisten seien Autodidakten. In Saudi-Arabien, einer der reichsten Nationen der Welt, fehlten sogar Handwerker, die ein Ölbild oder eine Druckgrafik rahmen können.

„Wir als Nation stehen an einer Weggabelung“

„Wir sind nicht auf Konfrontation aus, die wir nicht gewinnen können. Wir wollen die Kultur fördern und die Gesellschaft an die Kunst heranführen“, erläutert Mohammed Hafiz, der auch Besitzer einer großen Textilfabrik für Oberhemden und Jeans ist. „Dazu brauchen wir nicht so direkt sein wie im Westen, trotzdem ist unsere Arbeit ein ständiger Eiertanz.“ Und so sprechen die meisten Kunstwerke gesellschaftliche Tabus an, ohne jedoch die Politik des Herrscherhauses in Frage zu stellen. Die saudische Fotografin Jowhara al-Saud zum Beispiel zeigte in ihrer ersten Einzelausstellung Familienporträts, aus deren Negativen sie sämtliche Gesichter weggekratzt hat. „Aus dem Rahmen“ nennt die 36-Jährige diese Arbeiten, mit denen sie „die Zensur in Saudi-Arabien erkunden“ wollte. Trotz ihrer rabiaten Eingriffe bleiben die Fotos persönlich – und demonstrieren gleichzeitig „die komplexen kulturellen Beschränkungen, denen Darstellungen von Menschen in Saudi-Arabien unterliegen“.

Ähnliches treibt auch die 21-jährige Basmah Felemban aus Dschidda um, deren vierteilige Arbeit in der Ausstellung „Die Sprache des menschlichen Bewusstseins“ hängt, die seit Mitte des Jahres in der Atha-Galerie zu sehen ist. Ihre Zeichnungen „zuletzt gesehen“ verschlüsseln einen schon im 12. Jahrhundert verbotenen zärtlichen Austausch zweier Liebender aus der persischen Literatur. Dazu hat die Künstlerin, die schon zur Biennale in Venedig und ins British Museum eingeladen war, achteckige Sterne in Symbole zerschnitten, diese auf die arabischen Buchstaben weiß-bleicher iPhone-Tasten aufgeklebt. So transponierte sie den mittelalterlichen Text in eine moderne SMS-Liebesbotschaft, die trotzdem – auch achthundert Jahre später – immer noch verboten ist.

Seit dem Auftreten des Islamischen Staates findet in dem puritanisch-wahabitischen Königreich eine Gewissenserforschung statt wie noch nie zuvor in den letzten drei Dekaden. Immer mehr Künstler und Intellektuelle, aber auch aufgeschlossene Kulturverantwortliche sind sich einig, dass die Verteufelung von Kultur durch die ultraorthodoxen Prediger eine der Hauptursachen ist für Lähmung, Langeweile, Radikalisierung und innere Erstarrung ihres Landes. Die Pflege des kulturellen Erbes sei der beste Weg, „dem engstirnigen Islamismus zu begegnen“, argumentiert Ali Ibrahim al-Ghabban, Direktor im Ministerium für Kultur und Professor für Archäologie. Und dazu unternimmt Saudi-Arabien in letzter Zeit erheblich mehr Anstrengungen.

„Die Kunstszene steckt noch in den Kinderschuhen“

In den letzten sechs Jahren bekam das Königreich drei Weltkulturerbe-Stätten zugesprochen, neben der Altstadt von Dschidda und der Lehmstadt Diriyah, der ersten Hauptstadt der saudischen Herrscherdynastie im 18. Jahrhundert, auch die berühmte präislamische Nabatäerstadt Madein Saleh. Das Nationale Museum in Riad wurde eröffnet, demnächst sollen 14 regionale Museen hinzukommen, um das kulturelle und zivilisatorische Bewusstsein der Bevölkerung neu zu beleben. Historisch gesehen war Saudi-Arabien durch den Fernhandel der Karawanen immer ein Schnittpunkt zwischen Ost und West, erläutert Ali Ibrahim al-Ghabban. Und wie stark diese halbvergessene polyglotte Geschichte des Königreichs bis heute fasziniert, zeigt in seinen Augen die Ausstellung „Roads of Arabia“, die bisher weltweit über zwei Millionen Menschen anzog.

Der Weg in die Ausstellungsräume von Mohammed A. Hafiz und Hamza S. Serafi in der Hafenstadt Dschidda dagegen führt über das unwirtliche Parkdeck der Serafi Mega Mall. Auf zwei Etagen haben sich hier die beiden saudischen Galerie-Pioniere eingerichtet. Seit 2009 haben sie sich dem verwegenen Projekt verschrieben, in Saudi-Arabien ein Zentrum für moderne Kunst aufzubauen, das sich auch international sehen lassen kann. „Atha“, zu deutsch „Wirkung“, nannten sie ihre Galerie, die nahezu ein Unikum im gesamten Königreich ist. „Wir haben angefangen nach dem Prinzip Versuch und Irrtum“, sagt Hamza Serafi, eine wuchtiger Mann mit dröhnender Stimme, der alles sammelt, was ihm in die Quere kommt. Heute quillt sein Büro über mit selbst gehobenen Schätzen aus aller Welt, vom gehörnten Ritterhelm zum Super-8-Projektor, von abstrakten Basalt-Skulpturen bis zu einem überdimensionalen Bar-Code, gerahmt mit dicken ornamentalen Goldleisten.

Für die erste Teilnahme auf der Art Dubai 2009 mussten er und sein Partner Mohammed Hafiz noch heftig ihre Beziehungen spielen lassen. Die Veranstalter wiesen den ambitionierten Anfängern damals einen Ministand direkt neben den Toiletten zu, eine subtile Demütigung, die heute längst vergessen ist. „Die Kunstszene im Königreich steckt noch in den Kinderschuhen“, sagen die beiden. In den Schulen gebe es keine Kunsterziehung, in den Medien gebe es keine Kunstkritiker, für die Künstler gebe es keine Infrastruktur. Die meisten seien Autodidakten. In Saudi-Arabien, einer der reichsten Nationen der Welt, fehlten sogar Handwerker, die ein Ölbild oder eine Druckgrafik rahmen können.

„Wir als Nation stehen an einer Weggabelung“

„Wir sind nicht auf Konfrontation aus, die wir nicht gewinnen können. Wir wollen die Kultur fördern und die Gesellschaft an die Kunst heranführen“, erläutert Mohammed Hafiz, der auch Besitzer einer großen Textilfabrik für Oberhemden und Jeans ist. „Dazu brauchen wir nicht so direkt sein wie im Westen, trotzdem ist unsere Arbeit ein ständiger Eiertanz.“ Und so sprechen die meisten Kunstwerke gesellschaftliche Tabus an, ohne jedoch die Politik des Herrscherhauses in Frage zu stellen. Die saudische Fotografin Jowhara al-Saud zum Beispiel zeigte in ihrer ersten Einzelausstellung Familienporträts, aus deren Negativen sie sämtliche Gesichter weggekratzt hat. „Aus dem Rahmen“ nennt die 36-Jährige diese Arbeiten, mit denen sie „die Zensur in Saudi-Arabien erkunden“ wollte. Trotz ihrer rabiaten Eingriffe bleiben die Fotos persönlich – und demonstrieren gleichzeitig „die komplexen kulturellen Beschränkungen, denen Darstellungen von Menschen in Saudi-Arabien unterliegen“.

Ähnliches treibt auch die 21-jährige Basmah Felemban aus Dschidda um, deren vierteilige Arbeit in der Ausstellung „Die Sprache des menschlichen Bewusstseins“ hängt, die seit Mitte des Jahres in der Atha-Galerie zu sehen ist. Ihre Zeichnungen „zuletzt gesehen“ verschlüsseln einen schon im 12. Jahrhundert verbotenen zärtlichen Austausch zweier Liebender aus der persischen Literatur. Dazu hat die Künstlerin, die schon zur Biennale in Venedig und ins British Museum eingeladen war, achteckige Sterne in Symbole zerschnitten, diese auf die arabischen Buchstaben weiß-bleicher iPhone-Tasten aufgeklebt. So transponierte sie den mittelalterlichen Text in eine moderne SMS-Liebesbotschaft, die trotzdem – auch achthundert Jahre später – immer noch verboten ist.

„Wir als Nation stehen an einer Weggabelung“, ist die Installationskünstlerin Maha Malluh überzeugt, die gerne lacht und strahlt, sich jedoch nur mit Kopftuch und ernstem Gesicht fotografieren lassen möchte. „Wenn wir jetzt nichts tun, werden wir alles verlieren.“ Der Einfluss der islamischen Eiferer sei nach wie vor stark. „Diese Leute fürchten die Kunst, weil sie die Menschen verändern wird.“ Die eigene kulturelle Identität wiederzuentdecken, Kreativität zu fördern, Filme zu drehen, Tabus zu brechen – für die Aufgeschlossenen der saudischen Gesellschaft ist dies das wichtigste Gegenmittel gegen die Gehirnwäsche, die ihre Gesellschaft vergiftet und ausgedorrt hat. „Ein lebendiges Kulturleben ist Teil der Lösung unserer Probleme“, sagt Maha Malluh. „Doch das wollte bis vor Kurzem noch niemand wirklich zugeben.“ Dreißig Jahre lang habe sich der Fundamentalismus hier breitgemacht – und dreißig Jahre werde es dauern, bis er wieder verschwunden ist. „Fundamentalisten sind eine schwere Bürde“, sagt sie zum Abschied, „nicht nur für uns, für die ganze Welt.“