Kultur: Tim Schleider (schl)
Der Kampf gegen Kunstkriminalität ist unbestreitbar wichtig, das Austrocknen der IS-Finanzierungsquellen erst recht. Aber Hand aufs Herz: unsere Museen in Europa und Nordamerika sind randvoll mit Kunstschätzen, die irgendwann aus ihrem historischen Kontext herausgebrochen wurden. Müssten wir die Debatte dann nicht, um glaubwürdig zu sein, über die aktuellen Terrorfälle hinaus noch wesentlich erweitern?
Das können Sie doch nicht ernsthaft gleichsetzen. Vor über hundert Jahren sind die Objekte rechtmäßig im Zug von Fundteilungen nach Europa gekommen, außerdem erforschten die Archäologen damals Fundplätze, sie zerstörten sie aber nicht aus Habgier. Die Museen müssen aber sicherstellen, dass sich kein illegal ausgeführtes Raubgut in ihren Sammlungen befindet. Eines ist auch klar: Raubgrabungen gibt es, solange die Menschheit besteht, es gab sie schon in der Antike. Doch in den letzten zehn bis 15 Jahren hat die gezielte Zerstörung und Plünderung von archäologischem Kulturgut eine neue Dimension erreicht – im Nahen Osten derzeit als Teil einer menschenverachtenden Ideologisierung des Islam, einer Religion, in der eigentlich die Idee der Toleranz tief verankert ist. Aber noch einmal: die Zerstörung von Denkmälern aus Habgier ist kein Problem des Nahen Ostens, weil Raubgrabungen auch in Lateinamerika, Afrika, Europa und Deutschland enorme Schäden anrichten.
Aber nochmals zurück zu den Museen hier. Müssten wir beim Thema „Raubgrabungen und illegaler Handel“ nicht auch an den Kunstexport früherer Jahrhunderte denken? Was müssen womöglich Ihre großen Häuser auf der Museumsinsel nicht alles wieder an den Ort des historischen Kontextes ausliefern? Sind Sie wirklich sicher, dass nicht auch dort in den vergangenen Jahren bei einem attraktiven Angebot auf der Kunstmarkt zugegriffen wurde?
Alle unsere Häuser betreiben Provenienzforschung, und überall dort, wo wir unrechtmäßigen Erwerb feststellen, sind wir zur Rückgabe bereit. Es geht ausschließlich um die Rechtmäßigkeit des Erwerbs, nicht darum, dass alles dorthin zurückkehrt, wo es entstanden ist, damit wäre das Prinzip des Museums ja ad absurdum geführt. Die jährlich steigenden Besucherzahlen weltweit unterstreichen gerade die Bedeutung von Museen. Es kann doch nicht darum gehen, Botticelli-Gemälde an Italien zurückzugeben oder Dürer- und Holbein-Bilder vom Prado in Madrid zu fordern, das wäre vollkommen abwegig. Entscheidend ist und bleibt die Frage des rechtmäßigen Erwerbs, und zwar zum Zeitpunkt des Erwerbs, nicht mehr und nicht weniger.

Im Berliner Schloss soll Weltkultur zu Hause sein

Ein Ort, an dem in Deutschland die Vielfalt der Weltkulturen erlebbar wird, soll zukünftig das Humboldt-Forum im Berliner Schloss sein. Der Nachbau im Herzen der Hauptstadt wächst derzeit rapide in die Höhe, das kann man vom Konzept des Humboldt-Forums leider nicht sagen.
Ich widerspreche. Was Sie in der Mitte der Hauptstadt gerade wachsen sehen, ist ein modernes Kunst- und Kulturerfahrungszentrum in der Mitte Berlins mit klarer Vision und eindeutigem Auftrag. Unsere Sammlungen zur außereuropäischen Kunst und Kultur sind von Weltrang und werden im Humboldt-Forum mit den wissenschaftsgeschichtlichen Sammlungen der Humboldt-Universität und dem Projekt „Welt der Sprachen“ der Zentral- und Landesbibliothek Berlin vereint. Das wird eine großartige inhaltliche Erweiterung der Museumsinsel sein. Der Besucher des Humboldt-Forums wird im Zentrum der deutschen Hauptstadt die ganze Welt in ihrer Vielfalt betrachten und begreifen können. Und derzeit entsteht die konkrete Entwurfsplanung für das, was später dort zu sehen sein wird.
Die Idee ist gut, aber das Konzept und die teure Umsetzung bleiben unklar.
Nein, das ist nicht richtig, die Planungen sind weit fortgeschritten, es gibt auch etliche Publikationen dazu. In der öffentlichen Debatte wird aber gerne Konzept mit Programm verwechselt. Das Konzept des Humboldt-Forums steht seit Langem. Aber natürlich muss dieses Konzept noch mit einem konkreten Programm versehen werden. Das ist ein Prozess, die Eröffnung ist schließlich erst 2019, da kann man nicht zu früh beginnen, weil wir nicht wissen, welche Fragen die Welt in fünf Jahren beschäftigen werden. Es wird wichtig sein, einen Intendanten zu finden, der die verschiedenen Institutionen zusammenbinden kann und sie auf zentrale, aktuelle Themen verpflichtet. Diese Persönlichkeit sollte im Laufe des kommenden Jahres gewonnen werden.
Gerade wird ein erster Name für diese neue zentrale Position gehandelt, es ist der Direktor des British Museums, Neil MacGregor, einer der profiliertesten Museumsleiter weltweit. Ist das die Etage, auf der die Verantwortlichen suchen?
Ich kenne und schätze Neil MacGregor außerordentlich, er wäre eine vorzügliche Wahl. Doch was an den Gerüchten dran ist, kann ich Ihnen nicht sagen.