Bisher waren die Künstler in den Waggons am Nordbahnhof beheimatet. Nun wollen sie auf dem Areal des alten Güterbahnhofs in Bad Cannstatt groß auftreten.

Bad Cannstatt – Es gibt viel zu tun: 17 Punkte stehen auf der Tagesordnung, als sich die sechs Mitglieder des Vereins, der mal Umschlagplatz hieß und bald umbenannt wird, an diesem Abend im Jugendhaus Mitte treffen. Und die Liste scheint immer länger zu werden. Auf jede abgehakte Aufgabe folgen gefühlt zwei neue. Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Bad Cannstatt wollen die Künstler, die bisher in den Waggons am Nordbahnhof beheimatet waren, ein vielseitiges Kulturzentrum schaffen. Einen Ort, der professionell geplant und organisiert sein will. Inzwischen geht es um weit mehr, als einen „Umzug der Waggons“ – die bis auf Weiteres am Nordbahnhof bleiben können. Erschließung, Baugesuch, Konzeptionierung, Finanzierung, Förderung – wie viel Arbeit das neue Projekt macht, kristallisiert sich nach und nach heraus.

 

„Die meisten von uns sind Künstler, mit organisatorischer Arbeit in diesem Ausmaß hatten wir bisher nicht viel zu tun“, sagt Marco Trotta, der als Sprecher des Vereins auftritt, seit sich die Medien so sehr für die Waggongemeinschaft interessieren. Die Stadt ist dennoch mit der Arbeit der Gruppe zufrieden – das bestätigt auch Axel Wolf, der persönliche Referent von Finanzbürgermeister Michael Föll. Er ist für die Erschließung des Geländes zuständig. „Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv“, sagt Wolf. Und gibt zu, dass auch er sich das Projekt am Anfang einfacher vorgestellt habe.

Aktuell behindert ein eingestürzter Abwasserkanal die Erschließung des Geländes und damit die Fertigstellung des Baugesuchs. Jetzt wollen sie auf einen Alternativkanal ausweichen, wofür jedoch zuerst ein Verbindungskanal gegraben werden muss. Die Stadt hatte im vergangenen Jahr zugesichert, die Erschließung zu bezuschussen. „Wir stehen zu unserem Wort“, sagt Axel Wolf. „Damals dachten wir allerdings an etwa 10 000 Euro.“ Man müsse jetzt, durch den gestiegenen Aufwand, eine Lösung finden, die den Kostenrahmen für die auf zwei Jahre angelegte Interimslösung nicht unverhältnismäßig sprenge, sagt er. Der Verein arbeitet an einer Lösung. Als Top sieben steht der Besuch bei einer Rohrreinigung auf der Tagesordnung.

Der Name soll geändert werden

Doch nicht nur die Erschließungskosten, auch die Baukosten steigen: „Das gesamte Projekt entwickelt einen höheren Anspruch“, sagt Marco Trotta. Mittlerweile schätzt er die Gesamtkosten des Areals aus Baucontainern und einem Holzbau auf gut 100 000 Euro. Das Vermögen des Vereins besteht aus 15 alten Waggons, die die Bahn den Künstlern im vergangenen Jahr als Sachspende zur Verschrottung übergeben hat. Den Wert schätzt Marco Trotta auf 15 000 bis 25 000 Euro. Top eins der Liste: weiteres Prozedere Waggonverschrottung.

Finanzielle Unterstützung wünscht sich die Gruppe unter anderem vom Kulturamt der Stadt. „Wir haben einiges zu bieten. Unser Konzept wertet den Standort Güterbahnhof auf.“ Marco Trotta wünscht sich, dass die Stadt nichtkommerzielles kulturelles Engagement wie das seines Vereins finanziell stärker unterstützt. Ein entsprechender Förderantrag ist in Arbeit.

Top neun: Namensänderung. Wie berichtet, trennt sich der Verein von seinem bisherigen Namen „Umschlagplatz“, da dieser zu sehr an den „Umschlagplatz im Warschauer Ghetto“ und an die Judendeportation erinnere. „Nach einigen Recherchen wollen wir nicht leichtfertig mit dem Begriff umgehen und haben entschieden, uns von unserem Namen zu trennen“, sagt Trotta. Das Resultat: noch mehr Arbeit.

Umso mehr freut sich der Verein über Leute wie Anne Windaus. Eine Interessentin, die Kontakt mit dem Verein aufgenommen hat und ihn unterstützen will: in seiner Struktur, bei Förderanträgen, in rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen – so gut sich ein solches Ehrenamt eben mit dem Beruf vereinen lässt. „Wir sind offen für alle und suchen explizit Leute, die mitmachen wollen“, sagt Marco Trotta. Der Verein will weiter wachsen. Und professioneller werden.

Peu à peu wollen sie mit der Bebauung am Güterbahnhof beginnen, sobald die Genehmigung erteilt ist. „Zuerst brauchen wir dort mal eine Basis“, sagt Marco Trotta. Fünf Container hat die Gruppe bereits erstanden, sie stehen hinter den Wagenhallen und sollen bald versetzt werden. Mobilität lautet das neue Zauberwort. „Das ist ja das Tolle an Containern: wenn unser Mietvertrag ausläuft, sind wir mobil und können sie einfach woanders aufstellen.“

AusstellungAn diesem Freitag, 30. März, findet um 19 Uhr im Treffpunkt Rotebühlplatz die Vernissage der Ausstellung „Nordbahnhof-Sahnehäubchen trifft Güterbahnhof-Filetstückchen“ statt. Bis zum 20. Juli zeigt der Verein die Geschichte der Waggons und Pläne für den Güterbahnhof. Mehr Informationen gibt es unter www.unbenannt.info.