In der Reihe „Kunst in der Region“ sind in der Kreuzkirche Arbeiten von Martina Staudenmayer und Alf Setzer zu sehen. Die facettenreiche Ausstellung unterstreicht, wie Emotionen und Situationen die Konstruktion von Wirklichkeit bestimmen.

Nürtingen - Üblicherweise sind in Museen Vitrinen dazu da, Exponate vor dem Zugriff allzu distanzloser Besucher zu schützen. In der Nürtinger Kreuzkirche, wo derzeit die Ausstellung „Kunst in der Region“ mit Arbeiten von Alf Setzer und Martina Staudenmayer zu sehen ist, verhält es sich anders. Alf Setzer sprengt buchstäblich den gewohnten Rahmen und lässt bei seinen Lichtinstallationen Kabel aus den Tischvitrinen hervorquellen, sodass die abschließbaren Glasdeckel geöffnet bleiben müssen.

 

Rituale des Kunstbetriebs auf den Prüfstand gestellt

Der Steinbildhauer Alf Setzer, der an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart lehrt, setzt damit ganz bewusst ein künstlerisches Ausrufezeichen, wie Winfried Stürzl bei der Vernissage in seiner Einführung erklärte. Hier würden – ebenso beiläufig wie ironisch – „die Rituale des Kunstbetriebs auf den Prüfstand gestellt“, sagte der Stuttgarter Kunstvermittler und fügte hinzu: „Die Gesetze des Kunstmarkts werden ad absurdum geführt.“

Den Bruch mit dem Gewohnten sucht und findet auch Martina Staudenmayer. Ihre im Dachgeschoss der Kirche ausgestellte Farbfotografie zeigt ein Gewirr aus Ästen, Zweigen und Blättern. Diesem auf den ersten Blick gewöhnlich wirkenden Waldmotiv verleiht die Künstlerin durch vier im Raum hängende Wörter plötzlich Spannung. Der Satz „Haben wir Wölfe gesehen“ weckt Assoziationen. Der Wald als geheimnisvolle, unheimliche Welt, in der hinter jedem Baum eine Gefahr lauern könnte. Mit ihrer Installation führe uns Martina Staudenmayer vor Augen, „wie sehr unsere Emotionen und Vorstellungen die Wahrnehmungen prägen“, erläutert Winfried Stürzl, der an der Freien Kunstakademie Nürtingen Kunstwissenschaften lehrt und dort Vorstandsmitglied ist.

Auf den ersten Blick natürlich, dann zunehmend rätselhaft

Wie unser Blick die Realität gestaltet, lässt sich Winfried Stürzl zufolge auch an den feinlinigen Tuschezeichnungen Staudenmayers demonstrieren. Was vordergründig als realistische Naturdarstellung erscheint, wird bei genauerem Hinsehen zunehmend rätselhaft. Die linearen Strukturen und Verästelungen könnten ebenso gut an die Illustration menschlicher Blutgefäße in einem Biologiebuch erinnern wie auch an textile Schnittmuster, so Stürzl.

Staudenmayers und Setzers Werke lassen viel Interpretationsspielraum. Das Thema Licht bei Alf Setzers Leuchtstoffröhren lässt den Kunsthistoriker Winfried Stürzl im Kontext des Ausstellungsraums Kirche an das Johannes-Evangelium denken, in dem es an einer Stelle heißt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Und auch bei Martina Staudenmayer lassen sich – obschon mit der Inquisition und Hexenverfolgung ungleich düstere – Bezüge zur Kirche in einer an Facetten reichen Ausstellung herstellen.

Drei Städte wechseln sich ab

Reihe
Die Ausstellungsreihe „Kunst in der Region“ wird im Wechsel von den Städten Kirchheim, Wendlingen und Nürtingen ausgerichtet. Bei dem Kooperationsprojekt werden von einer Jury Künstler und Künstlerinnen aus dem Gebiet des Altkreises Nürtingen eingeladen.

Dauer
Die Ausstellung in der Nürtinger Kreuzkirche dauert bis zum 12. November. Geöffnet ist die Kirche täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Besuch ist kostenlos. Am 1. November (Allerheiligen) ist geschlossen.