Sie liebt Harry Potter und interessiert sich für Disney und Freizeitparks. Das Ergebnis zeigt die Künstlerin Simone Eisele nun im Kunstmuseum Stuttgart. Wie gut ist die Schau?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Es könnte einer dieser traurigen Momente sein. Eben noch hielt das Kind selig den Luftballon an der Schnur. Dann ein unbedachter Moment –und schon hat er sich auf und davon gemacht und wird gleich nur noch ein winziger Punkt am Himmel sein. Im Kunstmuseum Stuttgart knubbeln sich die Ballons dagegen unter der Decke. Aufgeblasene Buchstaben und Zahlen, Tierfiguren und Heidi von der Alm hängen an der Decke fest, losgelöst und doch nicht frei.

 

Davon können andere nur Träumen: Eiseles Schau läuft ein Jahr lang

Das Dazwischen, Schwebezustände zwischen zwei Welten interessieren die Künstlerin Simone Eisele. 28 Jahre ist sie alt, hat in Mainz und London Kunst studiert und darf nun zu Beginn ihrer Karriere ein Jahr lang im Kunstmuseum Stuttgart ausstellen, in der „Frischzelle“, wie sich das Format für den Nachwuchs nennt. Hier erprobt sie ein Changieren zwischen Realität und Fiktion, Traum und Wirklichkeit, Original und Imitat. Deshalb sind die Ballons, die unter der Decke hängen, nicht mit Gas gefüllt, sondern handfeste Objekte.

Auch die Symbolik der Brezel spielt eine Rolle

Der Schein trügt – so die Botschaft von Simone Eisele, die in ihrer Präsentation hineinführt ins Freizeitvergnügen und Jahrmärkte, Themenparks, Geisterbahn und Walt-Disney-Figuren zitiert. An Liebespaare, teils real, teils aus Filmen, will sie mit Grabsteinen erinnern – denn Liebe könne schnell in Besessenheit umkippen. Sie hat in Anlehnung an einen Mickey Mouse-Film Möbelstücke gebaut, die wie Lebewesen wirken. Aber auch die Symbolik der Brezel habe sie interessiert, weshalb am Boden Herzketten liegen, die auf die geschlungenen Arme der Brezel anspielen sollen.

Manchmal kann sie ihre eigenen Werke nicht mehr entschlüsseln

Das Publikum wird mal mehr, mal weniger Zitate kennen, letztlich spielt es für die Künstlerin aber keine Rolle, ob man ihre Arbeiten entschlüsseln kann. „Es passiert oft, dass ich am Anfang alles komplett durchdenke“, erzählt sie, wisse später aber auch manchmal nicht mehr, worauf sie sich bezogen habe. „Dann muss ich meine eigene Arbeit wieder entschlüsseln.“ Vielleicht lasse man sich zu „einer eigenen Geschichte“ anregen, die aber sicher keine „Wort-zu-Wort-Geschichte“ sei.

So geht es Simone Eisele in erster Linie um das, was sie persönlich interessiert. „Ich bin totaler Harry-Potter-Fan“, erzählt sie, erst vor kurzem habe sie Disney für sich entdeckt. Besonders interessiert sie das Thema „Fake“, wobei sie dabei keineswegs an manipulierte Informationen denkt, die derzeit die Demokratie bedrohen. Im Gegenteil: „Ich will definitiv keine politische Message formulieren“, sagt sie vehement, „Ich bin überhaupt keine politische Künstlerin.“

Fake ist für Simone Eisele ein positiver Begriff

Bei Fake denkt Simone Eisele eher an Kuchen, den ihr Freund und Partner für eine Oper nicht gebacken, sondern bühnentauglich ohne Butter und Mehl hergestellt habe. Für eine Installation hat sie deshalb ebenfalls Fake produziert: einen Schlitten, eine Pinocchio-Figur, einen Schneehaufen oder auch ein Buch – alles Imitate, die handwerklich erstellt wurden. „Wenn etwas mit Hand gemacht wird, ist die Wertschätzung da“, sagt Simone Eisele und konnotiert den Begriff Fake deshalb als positiv. Ihr habe es in jedem Fall „total Spaß gemacht“, als sie etwa den Werkstoff Holz für sich entdeckte.

Frischzelle 30: Simone Eisele. Kunstmuseum Stuttgart, Di-So 10-17 Uhr, Fr bis 20 Uhr.