Die städtische Veranstaltungsgesellschaft In Stuttgart soll künftig den Betrieb des Kursaals in Cannstatt übernehmen. Dagegen regt sich Widerstand: Die Kritiker befürchten, dass die Nutzung als „Special Event Location“ dem Bürgerhaus-Gedanken widerspricht.

Stuttgart - Im Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats ist die Debatte über das künftige Betreiberkonzept für den aufwendig renovierten Cannstatter Kursaal angestoßen worden. Am 21. März soll im Gemeinderat die Entscheidung fallen. Die Stadtverwaltung schlägt vor, den großen und kleinen Saal als Bürgerhaus zu führen, in dem die örtlichen Vereine und Verbände ihre Veranstaltungen abhalten können. Die Organisation soll aber der städtischen Veranstaltungsgesellschaft In Stuttgart übertragen werden. Ihr traut man am ehesten zu, das Ensemble so zu vermarkten, dass das Defizit überschaubar bleibt. Gegen diesen Plan regt sich nun im Gemeinderat allerdings Widerstand.

 

Der von Nikolaus von Thouret erbaute und 1837 eingeweihte Kursaal ist bereits seit 2007 geschlossen. Der Umbau des Großen und die bereits erfolgte Sanierung des kleinen Kursaals samt dem Bau einer Tiefgarage mit 87 Plätzen wird mit rund 15 Millionen Euro veranschlagt. Aller Voraussicht nach wird der Große Kursaal im Herbst wieder eröffnet. Anders als bisher ist er dann kein Schlauch mehr, sondern dreiteilbar. Er bietet Platz für insgesamt 742 Besucher.

Aktive Vermarktung für bessere Auslastung

Die Auslastung des Großen Kursaals bis zur Schließung 2007 sei „sehr schlecht“ gewesen, sagte der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU). Es habe im Schnitt nur 95 Veranstaltungstage gegeben, davon lediglich 35 mit „förderungswürdigen Nutzungen“ von Vereinen. Im bundesdeutschen Durchschnitt seien Veranstaltungszentren an rund 160 Belegungstagen ausgelastet. Um dieses Minimalziel zu erreichen, bedürfe es einer aktiven Vermarktung, so Föll. Mit den örtlichen Vereinen allein sei dies nicht zu machen.

Die Auswahl des idealen Betreibers soll sicherstellen, dass die Investitionen durch eine möglichst intensive Nutzung und ein geringes Defizit gerechtfertigt werden. Die Gutachterfirma UDF Consulting hat die Vor- und Nachteile des Betriebs durch das städtische Amt für Liegenschaften und Wohnen, das Bezirksamt Bad Cannstatt und die In Stuttgart ermittelt. Als Betreiber wird schließlich der städtische Veranstaltungsbetrieb empfohlen, dessen Abteilung Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle (KKL) über die nötige Kompetenz verfüge und der auch eine passende Ergänzung zum KKL benötige. So halte man 400 Veranstaltungseinheiten pro Jahr für möglich. Einziges Manko: Der Betreiber müsse sich „den Respekt und die Anerkennung der Bürger“ erst noch erarbeiten.

Wird die angestrebte Bürgerhaus-Idee konterkariert?

Dabei geht In Stuttgart künftig von 70 Veranstaltungen von förderungswürdigen Nutzern aus dem Stadtbezirk aus, die die Räume zu vergünstigten Konditionen anmieten können und dort einmal pro Jahr sogar umsonst Jahres- oder Vereinsfeiern, Tanzveranstaltungen, Bälle oder Konzerte abhalten dürfen. Mit diesem Mix sei ein Defizit von maximal 220 000 Euro denkbar. Das seien etwa 100 000 Euro weniger, als die Gutachter bei den anderen Betreibern ermittelten.

Die Vorlage sei nicht neutral, erklärte dagegen die Cannstatter Grünen-Stadträtin Andrea Münch. Die Fraktion verschließe sich nicht dem Vorschlag, In Stuttgart mit dem Betrieb zu betrauen. Eine nachrangige Nutzung durch Bürger und lokale Vereine gegenüber jener als „Special Event Location“ konterkariere allerdings die angestrebte Bürgerhaus-Idee. In einem Antrag formulieren die Grünen die Sorge, der vorgeschlagene Nutzerrat unter Leitung von Bezirksvorsteher Thomas Jakob dürfte die Vorschläge von In Stuttgart nur abnicken. Die Grünen streben eine Nutzung des Kursaals in erster Linie durch die Bürger an und fordern die Verwaltung auf, eine Variante zu erarbeiten, die bei einer öffentlichen Veranstaltung dem vorgeschlagenen Konzept mit der In Stuttgart als Betreiberin gegenübergestellt wird.

Bezirksvorsteher und In Stuttgart sollen eng kooperieren

Der CDU-Stadtrat Joachim Rudolf ließ dagegen eine gewisse Sympathie für den Verwaltungsvorschlag erkennen. Es sei jetzt „deutlich mehr Bürgerhaus drin“ im Kursaal als früher. Die Vereine hätten bei 70 Veranstaltungen „auch noch Luft nach oben“. Die wirtschaftliche Komponente sei wichtig, so Hans Pfeifer von der SPD. Ob das Bürgerhaus „ein Etikettenschwindel“ sei, müsse noch ermittelt werden. Robert Kauderer (Freie Wähler) sagte, die Vereine hätten das Recht, dass der Kursaal ihr Kulturzentrum werde. Bernd Klingler (FDP) erklärte, für seine Fraktion sei das Bezirksamt „mit seiner Kernkompetenz“ der ideale Betreiber. Natürlich müsse Bezirksvorsteher Jakob mit der In Stuttgart eng zusammenarbeiten. Jakob gab dabei zu bedenken, es gehe im Kursaal nicht nur um Veranstaltungen. Die Vereine hätten auch Bedarf an Räumen für den Übungsbetrieb, etwa für Tanzgarden und Chöre.

Der Wirtschaftsausschuss nahm am Freitag Kenntnis von der öffentlichen Ausschreibung der Kursaalgastronomie, die sich im kleinen Saal befindet, und zu der auch ein Biergarten mit Musikpavillon und das Parkcafé gehört. Der Pächter verantwortet das Catering für den Großen und Kleinen Kursaal, einen Anspruch auf Bewirtschaftung der Räume hat er aber nicht.