Er habe „keinen Bock“ auf ideologische Debatten mit dem griechischen Regierungschef Tsipras – ungewöhnlich scharf hat EU-Parlamentschef Schulz die neue Links-rechts-Regierung vor einem Ausscheren in der Russland-Politik gewarnt. Es ist nicht das einzige Streitthema zwischen Athen und Brüssel.

Mainz/Brüssel/Athen - EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat vor seinem Treffen mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras massive Kritik am diplomatischen Kurswechsel in Athen geäußert. Er habe „mit Entsetzen“ gesehen, dass Griechenland die gemeinsame Position der EU gegenüber Russland aufgegeben habe, sagte Schulz am Mittwochabend im ZDF-„heute-journal“. Die griechische Regierung sei nicht gewählt worden, um Sanktionen gegen Russland zu boykottieren, das Land habe ganz andere Sorgen.

 

„Ich habe keinen Bock ideologische Debatten zu führen mit einer Regierung, die gerade mal zwei Tage im Amt ist“, sagte Schulz in dem Interview. Hintergrund ist die Ankündigung von Tsipras, eine von seinen 27 EU-Kollegen gemeinsam vorbereitete Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise nicht mitzutragen.

Dass Tsipras’ Linkspartei Syriza eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Anel eingegangen sei, sei „nicht gut für das Land“, sagte Schulz weiter. Der EU-Parlamentspräsident will am Donnerstag in Athen mit Tsipras sprechen. Dabei werde er sich anhören, was der neue Regierungschef von der EU erwartet - zugleich aber klarmachen, was die EU von seiner Regierung erwarte, sagte Schulz dem ZDF.

Vereinbarungen mit Troika über Bord geworfen

Neben dem Streit um die Sanktionen gibt es noch eine zweite tiefe Kluft zwischen Athen und Brüssel: die Schuldenpolitik. Griechenland wird seit 2010 von seinen Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds mit 240 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Deutschland haftet für Kredite von gut 50 Milliarden Euro. Nur wenige Tage nach der Wahl hat die neue Regierung in Athen damit begonnen, die Vereinbarungen mit der Geldgeber-Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank über Bord zu werfen. So sollen entlassene Beamte wieder eingestellt sowie Mindestrenten und Mindestlohn wieder aufgestockt werden. Außerdem wurde die Privatisierung des Hafens von Piräus und des Energieversorgers PPC gestoppt. Auch der Teilprivatisierung der größten griechischen Raffinerie Hellenic Petroleum, von der ein Drittel verkauft werden sollte, wurde auf Eis gelegt.

In der Bundesregierung stieß das auf Kritik. Und auch die Finanzmärkte reagierten entsetzt. Die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen schossen nach oben. An der Athener Börse gingen vor allem die Bankaktien in die Knie. Die Ratingagentur Standard & Poor’s drohte mit einer schlechteren Bonitätsnote.