Die Bemühungen um eine ruhigere Umwelt sollen aus dem Südwesten einen neuen Impuls bekommen. Denn Lärmschutz kostet Geld. Es gibt aber auch Lösungen die umsonst sind.

Stuttgart - „Es ist viel zu laut,“ stellt Gisela Splett (Grüne) fest. Selbst außerhalb von Ballungsräumen, sagt die Staatssekretärin im Verkehrsministerium, sind 144 000 Menschen im Land durch verkehrsbedingte Geräusche nachts Lärmpegeln von mehr als 55 Dezibel ausgesetzt. Das lässt sich aus der Lärmkartierung erkennen, die 2002 von der EU angestoßen worden ist. In diesem Lärmkataster sind aber die Schallemissionen der Haupteisenbahnstrecken noch gar nicht erfasst. Hier läuft die Kartierung noch. Wenn man diesem Lärm auf Dauer ausgesetzt ist, kann das zu Gesundheitsschäden führen.

 

Aber wie stellt man ihn ab? „Die gesetzlichen Regelungen zum Lärmschutz sind nicht ausreichend“, sagt Splett. Lärmvorsorge gibt es nur, wenn ein Verkehrsweg neu gebaut oder stark verändert wird. Abgesehen von Ausnahmen bleiben bei bestehenden Straßen und Gleisen die Belastungen unberücksichtigt. „Dass für vor 50 Jahren gebaute Straßen, auf denen inzwischen das Zigfache des damaligen Verkehrs rollt, kein Anspruch auf Verbesserungen besteht, ist rechtsstaatlich unwürdig,“ sagt der Freiburger Anwalt Dominik Kupfer.

„Konzept für eine ruhigere Umwelt erarbeiten“

Also wäre ein Rechtsanspruch auf Lärmsanierung für betroffene Bürger sinnvoll. Immer wieder habe es politische Vorstöße gegeben, einen solchen einzuführen, erklärt die Staatssekretärin. Sie seien letztlich aber immer an den in Aussicht stehenden Milliardenkosten gescheitert.

Gisela Splett, die auch Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung ist, will an dem Ziel festhalten, einen Anspruch auf Lärmsanierung zu schaffen. Das könne Baden-Württemberg aber nicht alleine umsetzen. Vielmehr müsse man über das Bundesverkehrs- und das Bundesumweltministerium, den Bundesrat und die Bundestagsabgeordneten auf Bundesebene weiter an dem Thema arbeiten.

Inzwischen könne man das aber auch vor Ort an der Sache tun. Dafür hat man mit Experten ein „Konzept für eine ruhigere Umwelt erarbeitet“. Es soll helfen, zunächst einmal den Sanierungsbedarf eines Gebietes zu ermitteln. Und zwar dort, wo der Schall auf Trommelfelle drückt – bei den Anwohnern. Bei ihnen kommen meist vielfältige Ausflüsse von Lärmquellen an: von einer Autobahn, von einer Schienenstrecke, von einer Kreisstraße. In einem technisch-mathematischen Verfahren werden aus dem Gesamtlärm die jeweiligen Beiträge der einzelnen Wege ermittelt. Das erlaubt eine prozentuale Zuordnung gemäß des Verursacherprinzips.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt

Die ist für die spätere Kostenaufteilung wichtig. Vor allem für Städte in der Größenordnung von 50 000 bis 80 000 Einwohnern könnte das ein wirksamer Hilfsansatz sein, glaubt Christian Popp vom Hamburger Lärmkontor. Vor allem sie hätten es mit Lärmquellen verschiedener Bauträger zu tun – wenn zum Beispiel eine Bundesstraße durch den Ort führt, für die der Bund zuständig ist, und wenn es auch eine Schienenstrecke gibt, für die die Bahn die Verantwortung hat. Für diese Kommunen sei es regelmäßig „eine Frustquelle“, sich mit den verschiedenen Akteuren ins Benehmen zu setzen. Er sei „seit 35 Jahren im Geschäft“, so Popp und habe viele Aktionspläne gesehen. „Der jetzt könnte gehen und wirklich was nützen,“ glaubt der Akustiker.

Nimmt man die Lärmwerte und die Zahl der Geschädigten, kann man eine Lärmkennziffer ermitteln und eine Art Prioritätenliste festlegen. Das, sagt Splett, obliege den Kommunen, die ohnehin die Lärmaktionsplanung machen müssen, und sei, so Popp, keine große Herausforderung. Im nächsten Schritt müssen sich die Betreiber der Lärmquellen zusammensetzen und überlegen, wie die Lärmsanierung bewerkstelligt werden soll. Der Kreativität seien keine Grenzen gesetzt, sagt der Jurist Kupfer. Es könne zum Beispiel auch nur einer investieren, von den anderen dann aber anteilsmäßig Kostenbeiträge kassieren.

Gisela Splett glaubt, dass sie in Baden-Württemberg ein, zwei Kommunen finden wird, mit denen dieses Konzept modellhaft erprobt werden könnte. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung gehen die Kommunen Eislingen, Salach und Süßen (Kreis Göppingen) davon aus, dass sie an einem Pilotprojekt mitwirken werden.