Lüge, Verleumdung, Indiskretion - die Vorwürfe, die sich die Mitglieder der AfD auf ihrem Parteitag um die Ohren hauen, wiegen schwer. In dem Zwist spiegelt sich das Ringen um den künftigen Kurs der jungen Partei wider.

Lüge, Verleumdung, Indiskretion - die Vorwürfe, die sich die Mitglieder der AfD auf ihrem Parteitag um die Ohren hauen, wiegen schwer. In dem Zwist spiegelt sich das Ringen um den künftigen Kurs der jungen Partei wider.

 

Kirchheim unter Teck - Misstrauensvoten, Abwahlanträge, Verbalattacken - die Alternative für Deutschland (AfD) hat bei ihrem Landesparteitag ein Bild der Zerstrittenheit geboten. Die Personalquerelen bei dem Treffen in Kirchheim unter Teck konzentrierten sich auf den 13-köpfigen Vorstand der Partei, die im Südwesten rund 3000 Mitglieder hat. Hinter den erbitterten Debatten um Regularien und Formalia steckt der Kampf um innerparteiliche Demokratie, aber mehr noch um den künftigen Kurs der jungen Partei. Sollen die Weichen in Richtung einer liberal-konservativen oder stark christlich und nationalkonservativ orientierten Partei gestellt werden?

Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl im Südwesten machten die 400 Mitglieder diese Frage an der Person des stellvertretenden Landeschefs Heinrich Fiechtner fest. Der Mediziner, der für die AfD im Stuttgarter Stadtrat sitzt, bezeichnet sich als pietistisch geprägten Christen. Er ist Mitglied im Pforzheimer Kreis der AfD, in dem sich Christen gegen die Abtreibung und für die Wertschätzung von Ehe und Familie einsetzen. Auch die Basisdemokratie in seiner Partei liege ihm am Herzen, betonte der selbst ernannte „Gegner des Berufspolitikertums“: „Die AfD muss eine Partei sein, die von der Arbeit ihrer Mitglieder lebt.“

Landeschef Bernd Kölmel hatte zuvor empfohlen, Fiechtner und dem Beisitzer Harry Behrens das Vertrauen zu entziehen. Denn er könne nicht weiter ein Großteil seines Engagements damit verbringen, die Gräben im Vorstand zuzuschütten. „Wir sind hier kein Kindergarten.“ Mit seinem Aufruf gegen die Vorstandskollegen handelt sich der EU-Abgeordnete scharfe Kritik von Mitgliedern ein: Ein Parteimitglied äußert sich entsetzt, dass Kölmel zwei Parteifreunde aus dem Vorstand zu drängen versuche: „Sind wir bei einer demokratischen Partei oder bei einer Partei, die wir geschichtlich überwunden haben?“ Ein weiteres Mitglied pflichtete bei: „Das ist doch nicht Politik. Das ist eine Säuberungsaktion.“

Unterschwellig schwang in den turbulenten Diskussionen immer auch die Frage mit, wie sich die AfD nach rechts außen abgrenzt. So warf Marc Jongen, stellvertretender Vorstandssprecher, dem von ihm als „radikal-libertär“ titulierten Fiechtner vor, sich nicht genügend von der neonazistischen griechischen Partei Goldene Morgenröte distanziert zu haben, die den Hitlergruß verwende. „Eine solche Art des Denkens sollte sich nicht in unserer Partei verankern.“ Eine Partei mit zweistelligen Ergebnissen bei Landtagswahlen könne so nicht geführt werden, sagte er mit Blick auf die Wahlerfolge der AfD in Ostdeutschland. Aber auch in anderen Bundesländern steckt die AfD in internen Grabenkämpfen fest.

60 Prozent stimmten gegen Fiechtner

Fiechtner erhielt die Quittung für seinen von manchem Mitglied als fundamentalistisch empfundenen Kurs: 60 Prozent stimmten gegen den Verbleib des Mediziners in dem 13-köpfigen Gremium und 35 Prozent dafür, fünf Prozent enthielten sich. Fiechtner trat daraufhin zurück. Der Beisitzer im Vorstand Lars Patrick Berg sieht einen ähnlichen Proporz in der Landespartei: 60 Prozent seien auf dem eher liberalen Kurs der Sprecherduos von Bernd Kölmel und Jens Zeller, 40 Prozent verorteten sich rechts davon. Er hofft, dass seine Partei schnell zur Ruhe kommt: „Wenn die Kinderkrankheiten nicht in Kürze überwunden werden, dann steht unserer Partei ein ähnliches Schicksal bevor wie den Piraten.“ Schatzmeister Jan Rittaler sieht das ähnlich. Er prangerte die „Misstrauenskultur“ in der AfD an: „Das ist der Stoff, aus dem das Scheitern junger Parteien gemacht ist.“

In den Augen vieler Mitglieder nehmen die internen Konflikte zu viel Raum ein. So forderte Landessprecher Zeller verstärkt eine inhaltliche politische Arbeit anstatt sich gegenseitig zu zerfleischen. „Wir müssen den Gegner in anderen Parteien verorten, nicht in den eigenen Reihen.“ Dafür bekam er viel Applaus.