Grün-Rot tüftelt seit mehr als zwei Jahren an einem Landespsychiatriegesetz. Jetzt hat die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) den gemeinsam mit Betroffenen und Fachleuten entwickelten Gesetzentwurf dem Kabinett vorgelegt.

Stuttgart - Auch so kann man Gesetze machen: Nach über zwei Jahren Vorarbeit hat das Kabinett jetzt den Entwurf für ein Psychiatriegesetz verabschiedet. Es soll im Herbst in den Landtag kommen und zum 1. Januar 2015 wirksam werden. Damit gäbe es erstmals in Baden-Württemberg verbindliche Vorgaben für die wohnortnahe und bedarfsorientierte Versorgung von psychisch kranken oder behinderten Menschen, wie die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) sagt.

 

Die Betroffenen, also Kranke, Angehörige, aber auch Mediziner, Krankenhäuser und Hilfsorganisationen rufen schon seit Jahrzehnten danach. Sie sind von der Ministerin, ebenso wie Wissenschaftler, Kommunalvertreter und Kassenrepräsentanten, eingeladen worden, in einem offenen Dialog die Eckpunkte für ein solches Gesetz zu erarbeiten. Rund hundert Personen haben sich seit Herbst 2011 an dem Erfahrungsaustausch beteiligt.

Sozialpsychiatrische Dienste gesichert

Die erarbeiteten Punkte wurden dem Ministerrat vorgelegt. Er segnete sie ab und beauftragte das Sozialministerium, auf dieser Grundlage den Gesetzentwurf zu erstellen. Entsprechend überwiegend positiv waren die Reaktionen, als der Text im Beteiligungsportal der Landesregierung zur Diskussion gestellt wurde.

Mit dem Gesetz wird die ambulante Versorgung psychisch Kranker gestärkt. Vor Ort angesiedelte niederschwellige Angebote für Beratung, Betreuung und Vermittlung von Hilfen und Helfern sollen langwierige, teure und stigmatisierende Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern seltener nötig machen. Diese Arbeit machen die in der Mehrheit der Stadt- und Landkreise tätigen sozialpsychiatrischen Dienste. Sie werden von unterschiedlichsten Trägern betrieben und bisher vom Land, von kommunaler Seite und aus Eigenmitteln finanziert.

Unabhängige Beschwerdestellen

Der Beitrag der öffentlichen Hand ist bisher eine freiwillige Leistung, die stets auch von der Haushaltslage abhängt. Grün-Rot hat 2012 die Zuwendungen des Landes von 2,1 auf vier Millionen Euro jährlich erhöht. Künftig sind die Landeszuschüsse verbindlich, die Angebote der Dienste werden also auf eine rechtlich sichere Grundlage gestellt.

Ein zweiter Baustein des Gesetzes sind Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen, die auf Kreisebene eingerichtet werden. Dort sollen Beschwerden von Betroffenen oder Angehörigen unabhängig bearbeitet, aber auch Beratung über Hilfsangebote und in juristischen Fragen geleistet werden. Auf Landesebene wird eine Ombudsstelle installiert, die gegenüber dem Landtag berichtspflichtig ist. „Wir stärken damit deutlich die Rechte von Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen“, sagt Altpeter.

Gegen seinen Willen psychiatrisch behandelt kann man aufgrund einer richterlichen Anordnung werden. Zum Schutz dieser – geschätzt 800 bis 1000 Fälle pro Jahr – werden Besuchskommissionen als neutrale Kontrollinstanzen eingerichtet. Sie sollen mindestens alle drei Jahre die Einrichtungen im Land überprüfen.