Mit einem Stopp des Projekts durch den Aufsichtsrat rechnete am Dienstagmorgen niemand in der Stuttgarter Regierungskoalition. Vielleicht malte SPD-Fraktionschef Schmiedel gerade deshalb das Ende von Stuttgart 21 besonders drastisch aus. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Schmiedel, der Bahn-Aufsichtsrat müsse wissen, dass eine Landtagsmehrheit im Falle des Ausstiegs aus Stuttgart 21 durch die Deutsche Bahn die Landesregierung beauftragen werde, die Bahn auf Vertragserfüllung zu verklagen. Was bedeute, dass SPD gemeinsam mit CDU und FDP für eine Klage stimmen würde.

 

Kretschmann beschwichtigt

Dieses grün-rote Endzeitgemälde ging manchen in der SPD dann doch zu weit. Von Aufgeregtheiten im Vorfeld der Aufsichtsratsentscheidung war die Rede. „Da bekommen einige Schnappatmung.“ Auch Regierungschef Kretschmann suchte in der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung den Konflikt herunterzuspielen. „Alle sind sehr nervös“ , beschwichtigte er. Es handle sich um emotionale Äußerungen, da müsse der Ministerpräsident „kühlen Kopf behalten“, „mit Maß und Mitte regieren“ – und überhaupt liege in der Ruhe die Kraft. Schnell hatte er ein Zitat bei der Hand, dessen sich einst schon Erwin Teufel gern bediente: „Quidquid agis prudenter agas et respice finem.“ – „Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.“

Der Ministerpräsident verwies darauf, dass er mit seinem Brief nur einer Aufforderung des Bahn-Vizeaufsichtsratschefs Kirchner nachgekommen sei. „Meine Antwort hält sich an das, was wir besprochen haben.“ Aus Kretschmanns Umfeld verlautete, der Brief an die Bahn sei den SPD-Protagonisten Schmid und Schmiedel bekannt gewesen. Dies wurde von SPD-Seite bestätigt, das Schreiben sei aber nur zur Kenntnis gegeben worden – „ohne Interventionsmöglichkeit“. Die Frage, ob die Regierung im Falle eines Verzichts der Bahn auf Stuttgart 21 klagen (so die SPD) oder über Alternativen verhandeln (so Kretschmann) werde, ließ der Regierungschef offen – in dem Bewusstsein, dass es so weit erst einmal ohnehin nicht kommen werde. Am späten Nachmittag äußerten sich Kretschmann und Schmid dann schon wieder vereint zum zwischenzeitlich ergangenen Votum des Bahnaufsichtsrats.