Ein 33 jahre alter Stuttgarter soll im März 2014 im Degerlocher Wald über zwei Joggerinnen hergefallen sein. Ein Opfer konnte den Täter vertreiben, die zweite Frau wurde indes geschlagen, getreten, ausgezogen und fast erwürgt.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Fast täglich setzt sich Rico B. vor einem Jahr in Stammheim früh in eine Stadtbahn der Linie 15 und fährt zum Fernsehturm. Dann spaziert der Arbeitslose stundenlang durch den Wald, macht es sich zwischendurch auf einer Sitzbank bequem und fragt immer wieder Spaziergänger nach der Uhrzeit. Abends gegen 19 Uhr fährt er wieder heim.

 

Plötzlich attackiert Rico B. eine Joggerin

Fast einen Monat unternimmt Rico B. diese Ausflüge. Er sagt, dass er sich gerne im Wald aufhalte, um sich auszuruhen und zu entspannen. Am 11. März 2014 sieht Rico B. im Hospitalwald nachmittags eine Joggerin auf sich zulaufen, die dabei ihren 21 Monate alten Sohn in einem Kinderwagen vor sich schiebt. Zunächst fragt der Mann die Mutter, wie spät es sei. Dann greift er die 40-Jährige unvermittelt an, nimmt sie in den Schwitzkasten und versucht sie ins Gehölz zu zerren. Dabei kippt der Kinderwagen um. Die Frau wehrt sich mit Leibeskräften und schreit um Hilfe. Rico B. lässt von der Frau ab und flüchtet. Der im Kinderwagen sitzende Junge bleibt unverletzt. Die Polizei fahndet vergeblich.

Das zweite Opfer zerrt der Angeklagte ins Gebüsch

Nur drei Tage später zieht es Rico B. erneut in den Degerlocher Wald. Wieder verbringt er einige Zeit mit Spazierengehen und auf Bänken sitzend. Gegen 13 Uhr versucht eine 23 Jahre alte Frau auf der Waldau an dem Mann vorbei zu joggen. Rico B. fragt sie nach der Zeit. Als sie sagt, dass sie keine Uhr und kein Handy dabei habe und sich abwendet, greift der Mann sie an. Er schlägt und tritt auf die Frau ein, zerrt sie 30 Meter weit ins Gebüsch. Rico B. zwingt sie, sich auf den Bauch zu legen. Schließlich entkleidet er die 23-Jährige, vergeht sich aber nicht an ihr, sondern drückt ihr nach einiger Zeit mit den Händen die Nase und den Mund zu, bis das Opfer ohnmächtig wird. Danach packt Rico B. die Kleidung in seinen Rucksack und flüchtet.

Immer wieder zieht es Rico B. zu einem der beiden Tatorte

Eine Spaziergängerin entdeckt die Frau, die aufgewacht und völlig verängstigt ist, auf dem Waldweg. Sie alarmiert Polizei und Rettungskräfte. Rico B. sitzt derweil in der Stadtbahn, fährt heim, duscht, schaut ein wenig fern und wirft die Kleidung des Opfers in den Müll. Noch am selben Tag sucht er den Tatort auf, wo es derweil von Polizisten wimmelt. Auch an den folgenden beiden Tagen zieht es ihn zurück in das Waldstück. Schließlich fällt er Polizisten auf, wie er vor einer Rasthütte sitzt. Die Polizei zeigt der 23-Jährigen ein Bild des Arbeitslosen. Sie erkennt ihn wieder. Rico B. sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Angeklagter legt ein Geständnis ab

Beim Prozessauftakt am Donnerstag hat der 33-Jährige die Vorwürfe eingeräumt. Der arbeitslose Schreiner, der zuletzt Hartz IV bezog, gibt dabei zwar ausgiebig Auskunft über sein bisheriges Leben und schildert bereitwillig auch die Taten aus seiner Sicht. Seine Antworten auf die Frage des Vorsitzenden Richters Wolfgang Hahn nach dem Motiv für die brutalen Übergriffe können aber kaum befriedigen. Rico B. sagt aus, dass er den Anblick der 40 Jahre alten Joggerin nicht ertragen habe, weil sie mit ihrem Kind so glücklich gewirkt habe. Denn zwischen ihm und seiner Ex-Partnerin sei der Streit so groß, dass er die gemeinsame Tochter nicht sehen dürfe. Die zweite Frau habe er angegriffen, weil sie ihn mit ihrer Art an seine ehemalige Lebensgefährtin erinnert habe. Dann entfährt es ihm, dass sein Leben in Trümmern gelegen sei: „Arbeit, Wohnen, Kind – nichts hat geklappt“, sagt er. „Ich hasse Frauen.“

Opfer joggen weiterhin – aber nicht mehr in Waldstücken

Die Opfer haben die Übergriffe in der Zwischenzeit offenbar halbwegs verarbeitet. Die 23-Jährige nahm dabei einen Therapeuten in Anspruch. Beide joggen weiterhin, aber nicht mehr in Waldstücken und schon gar nicht in Degerloch.

Rico B. ist bereits wegen diverser Delikte aktenkundig, darunter Betrug und Diebstahl, aber auch weil er Kindern Pornobilder gezeigt hat. Er hat bereits mehrere Jahre hinter Gittern gesessen. Im Prozess droht ihm eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Denn möglicherweise habe er die 23-Jährige so lange gewürgt, bis er geglaubt habe, dass die Frau tot sei – um den Überfall auf sie zu verdecken. Das Urteil wird für Ende Januar erwartet.