Im Prozess gegen den ehemaligen Drogerie-König Anton Schlecker und seine Kinder haben die Plädoyers der Staatsanwaltschaft begonnen. Ein Urteil könnte schon sehr bald fallen.

Stuttgart - Drogeriemarktkönig Anton Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für drei Jahre ins Gefängnis. Diese Strafe forderten die Vertreter der Anklage im Bankrottprozess gegen den 73-Jährigen am Montag in ihrem Plädoyer am Landgericht Stuttgart. Für Schleckers Sohn Lars beantragten sie zwei Jahre und zehn Monate Haft, für Tochter Maike zwei Jahre und acht Monate.

 

Aus Sicht der Ankläger hat Anton Schlecker vor der Insolvenz der einst größten Drogeriemarktkette Europas mehrere Millionen Euro beiseite geschafft und damit dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Außerdem soll er jahrelang überhöhte Stundensätze an die Logistik-Tochterfirma LDG gezahlt und so ebenfalls einen Millionenschaden verursacht haben.

Schadenssumme von 16 Millionen Euro

Insgesamt gehen die Staatsanwälte von einer Schadenssumme von gut 16 Millionen Euro aus. Sie hatten am Vormittag in einem langen Vortrag zusammengefasst, welche Beweise gegen Schlecker das Anfang März begonnene Verfahren nach ihrer Auffassung ans Licht brachte. Anschließend sollten die Verteidiger von Schlecker und dessen mitangeklagten Kindern das Wort erhalten.

Knackpunkt in dem Prozess ist die Frage, wann Anton Schlecker hätte wissen müssen, dass sein Imperium zahlungsunfähig ist – denn von da an hätte er keinen Cent mehr daraus abziehen dürfen. Weil auch die Staatsanwaltschaft mittlerweile von einem späteren Zeitpunkt ausgeht als demjenigen, der in der Anklage zunächst genannt war, verringerte sich auch der Umfang der Vorwürfe und der damit verbundene Schaden.

Mehr als eine Milliarde Euro Forderungen

Europas ehemals größte Drogeriekette hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Mehr als 25.000 Menschen in Deutschland und etwa genau so viele im Ausland verloren ihren Arbeitsplatz. Vor gut einer Woche hatten Schlecker und seine Kinder noch einmal vier Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt, die in die Insolvenzmasse fließen. Insgesamt haben die Gläubiger früheren Angaben zufolge mehr als eine Milliarde Euro an Forderungen angemeldet.

2013 hatte die Familie schon einmal gut zehn Millionen Euro an den Insolvenzverwalter gezahlt. Das Geld fließt in die Insolvenzmasse, insgesamt haben die Gläubiger mehr als eine Milliarde Euro an Forderungen angemeldet. Einen Teil davon will der Verwalter über Schadenersatzklagen gegen einstige Lieferanten eintreiben.

Chronologie des Schlecker-Imperiums

1975: Anton Schlecker eröffnet in Kirchheim/Teck (Baden-Württemberg) seine erste Drogerie. Zwei Jahre später sind es schon 100 Filialen.

1987: Schlecker expandiert ins Ausland - zuerst nach Österreich. Später folgen etwa Spanien, die Niederlande und Frankreich. Nach dem Fall der Mauer öffnen schnell Märkte in den neuen Bundesländern.

1994: Schlecker betreibt nach eigenen Angaben rund 5000 Läden. Gewerkschafter kritisieren, Mitarbeiter würden schikaniert und schlecht bezahlt. Schlecker spricht von Einzelfällen.

2007: Nach eigenen Angaben ist Schlecker mit mehr als 14 000 Märkten in 13 Ländern europäischer Marktführer in der Drogeriebranche. Über Jahre gibt es aber Kritik an Dumpinglöhnen und Leiharbeit.

2011: Nach Jahren in den roten Zahlen beginnt ein radikaler Umbau des Filialnetzes.

2012: Im Januar meldet Schlecker Insolvenz an. Im Sommer werden die letzten Filialen geschlossen, 25 000 Mitarbeiter in Deutschland verlieren ihre Jobs. Die Gläubiger fordern über eine Milliarde Euro.

2013: Im März zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter im Streit um übertragenes Firmenvermögen 10,1 Millionen Euro. Anton Schlecker hatte vor der Insolvenz unter anderem seine Villa im Wert von zwei Millionen Euro an seine Frau übertragen. Später zahlt die Familie weitere vier Millionen Euro.

2016: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt im April Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts. Insgesamt soll er Vermögen von etwa 25 Millionen Euro beiseite geschafft haben. Auch seine Ehefrau, seine beiden Kinder und zwei Wirtschaftsprüfer sind angeklagt - wegen Beihilfe, Insolvenzverschleppung oder Untreue.

2017: Im März beginnt in Stuttgart der Prozess. Nach der Zahlung von Geldauflagen werden im Mai die Verfahren gegen Schleckers Ehefrau Christa und die Wirtschaftsprüfer eingestellt. Im Oktober streicht das Gericht einige Anklagepunkte gegen Anton Schlecker.