Der Landrat Heinz Eininger (CDU) ist überzeugt, dass die Aufgabe der Unterbringung von Flüchtlingen zu bewältigen ist. Aber nur, wenn dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen würden.

Landkreis Esslingen - Der Landkreis Esslingen rechnet damit, bis zum Jahresende 5800 bis 6000 Plätze für Flüchtlinge vorhalten zu müssen. Denn die Zahl der Zuweisungen steigt ständig. Damit müssten zu den bereits bestehenden 3700 Unterkunftsplätzen in den Asylbewerberheimen im Kreis mehr als 2000 hinzu kommen. Der Landrat Heinz Eininger (CDU) ist überzeugt, dass die Aufgabe bewältigt werden kann, wenn dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.

 
Herr Eininger, die Bundeskanzlerin Angela Merkel prophezeit bezüglich der Aufnahme von immer mehr Flüchtlingen „wir schaffen das“. Teilen Sie diesen Optimismus?
Was hätte denn die Bundeskanzlerin angesichts vieler tausend Flüchtlinge an der ungarischen Grenze sagen sollen? In diesen Tagen ist Zuversicht und Zutrauen Pflicht. Für unser Land ist es ein Akt der Humanität, Menschen die vor Krieg und Not fliehen, aufzunehmen. Es mag zwar sein, dass das ,wir schaffen das’ ein falsches Signal in die Herkunftsländer ausgesendet und eine Sogwirkung ausgelöst hat. Deswegen müssen wir auch ganz klar jetzt die Botschaft vermitteln: Wer keine Bleibeperspektive hat, muss wieder in sein Heimatland zurückkehren. Und es müssen die Rahmenbedingungen so geändert werden, dass wir uns um die kümmern können, die unsere Hilfe wirklich benötigen. Dann können wir diese Aufgabe auch meistern.
Aber welche Rahmenbedingungen müssen Ihrer Ansicht nach geschaffen werden, damit es gelingen kann?
Es ist nicht die Zahl der Flüchtlinge, die uns die großen Probleme bereitet, es ist das Tempo, mit dem Flüchtlinge zu uns kommen. Es ist notwendig, dass Europa seine Grenze wirksam schützt und das Asyl- und Flüchtlingsrecht konsequent angewendet wird. Das heißt auch, dass diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, schnell und ausreichend die Sprache lernen können, um damit in Ausbildung und Arbeit zu kommen. Sprache, Arbeit und Wohnen sind die Eckpfeiler für Integration.
Fühlt sich der Landkreis von Bund und Land ein Stück weit im Stich gelassen?
Es hilft keine Schelte. Alle Ebenen – Bund, Land, Landkreise und Kommunen – arbeiten mit hohem Engagement. Die Flüchtlingsfrage lösen wir nur im Miteinander und wir brauchen dazu auch Europa.
Was muss vorrangig geschehen?
Die Gesetzesbeschlüsse aus dem Flüchtlingsgipfel müssen jetzt zügig umgesetzt werden, um damit auch der einheimischen Bevölkerung zu zeigen, dass deren Sorgen und Zweifel ernst genommen werden. Das gehört auch zu dem ,wir schaffen das’.
Wie war es für den Kreis bisher überhaupt möglich, die große Zahl an Zuflucht suchenden Menschen unterzubringen?
Zum einen haben wir dieses Jahr über 2000 neue Unterkunftsplätze geschaffen. Das allein reicht nicht aus, wenn seit Oktober Woche für Woche 270 Flüchtlinge aufzunehmen sind. Daher haben wir mittlerweile Notunterkünfte in Sport- und Gewerbehallen eingerichtet. Weitere solcher Unterkünfte und winterfeste Zelthallen werden folgen. Solche Quartiere sind nicht das Mittel der Wahl, sie sind aber der schieren Not geschuldet, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Wie bewerten Sie bei der kreisweiten Unterbringung von Asylbewerbern die Kooperationsbereitschaft der Kommunen?
Ich spüre eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zum Miteinander. Der Landkreis, der zuständig für die vorläufige Unterbringung ist, kann seine Aufgaben nur mit den Kommunen vor Ort erfüllen. Zudem müssen die Städte und Gemeinden dafür Sorge tragen, dass sie genügend Wohnraum für die Anschlussunterbringung haben. Das macht in jedem Fall ein abgestimmtes Vorgehen notwendig.
Driften da die Intentionen von Kreis und Kommunen nicht auseinander?
Ich sehe natürlich auch, dass viele Kommunen zur besseren Integration dezentrale Unterbringungskonzepte bevorzugen. Das ist ja auch grundsätzlich richtig. Allerdings hilft uns das nicht angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge, die der Kreis vorläufig aufzunehmen hat. Da geht es darum, ein Ankommen und ein Unterkommen zu ermöglichen. Die Integration im eigentlichen Sinne schließt sich daran an, und dann können dezentrale Unterbringungskonzepte sinnvoll sein.
Welchen Stellenwert haben dabei die ehrenamtlichen Helfer?
Den Wert von bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt erleben wir in diesen Tagen und Wochen in ganz besonderem Maße. Ich bin stolz darauf, dass wir so viele Helferinnen und Helfer haben, die sich nicht lange bitten lassen, sondern machen. Wir brauchen die Feuerwehren, wenn schnell eine Unterkunft eingerichtet werden muss, wir brauchen das Rote Kreuz und den Malteser Hilfsdienst bei der Gesundheitsversorgung und wir brauchen die ehrenamtlichen Arbeitskreise zur Begleitung und Unterstützung der Flüchtlinge in Kleiderkammern, Sprachkursen, bei der Essenausgabe, bei der Begleitung zu Ämtern und vielem mehr. Weil wir das anerkennen und wertschätzen wollen, habe ich zu einem Dankeschön-Abend am 11. November eingeladen.
Ist eine menschenwürdige Unterbringung noch gewährleistet?
Wenn wir Zeit hätten, könnten wir prima Unterkünfte bauen. Derzeit müssen allerdings vielfach ein Bett und regelmäßige Mahlzeiten ausreichen. Ich weiß, da bleiben viele Erwartungen unerfüllt – Erwartungen der Flüchtlinge, aber auch die Ansprüche, die wir an uns selber stellen.
Wann würden Sie sagen, ist das Leistungsvermögen des Landkreises bei der Aufnahme von Flüchtlingen erschöpft?
Das kann man genauso wenig beantworten, wie die Frage nach einer Obergrenze. Ich sage es noch einmal: Wir müssen denjenigen helfen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, wir müssen ihnen Zuflucht bieten. Das gebietet das Asyl- und Flüchtlingsrecht, aber auch unsere Werteordnung. Klar muss aber auch sein: wer nicht bleiben kann, muss gehen. Wenn diese Zusammenhänge beachtet werden, dann können wir es auch leisten.
Sind winterfeste Zelte eine Alternative?
Diese Frage stellt sich nicht, weil wir die Menschen nicht auf der Straße stehen lassen können.
Wie viele dieser Zeltunterkünfte wird es bis zum Endes dieses Jahres geben?
Aus heutiger Sicht haben wir bis Weihnachten vier winterfeste Zelthallen.
Wo sollen diese stehen?
Eine in Neuhausen, zwei in Leinfelden-Echterdingen und eine möglicherweise im Ostfilderner Stadtteil Kemnat.