Die Stadt vermeldet einen neuen Rekord bei der Briefwahl: 81 000 Anträge wurden eingereicht, fast die Hälfte per Internet. Grüne und CDU kämpfen um die vier Direktmandate in der Stadt.

Stuttgart - Stuttgart rüstet sich für die Landtagswahl: Rund 374 000 Bürger sind wahlberechtigt, 6000 mehr als vor fünf Jahren. 2500 Helfer werden am Sonntag im Einsatz sein, um in 350 Wahllokalen – eines kam wegen der Neubauten hinter dem Hauptbahnhof hinzu – die Stimmabgabe und die Auszählung zu organisieren. Etwa 400 Freiwillige werden im SSB-Zentrum auf der Waldau die Auszählung der Briefwahl übernehmen. Hunderte Polizisten werden zudem aufgeboten, um die Wahlparty der rechtspopulistischen AfD in der Alten Reithalle zu sichern.

 

Die Afd misstraut den Ehrenamtlichen

Einigen Wahlhelfern wird auf die Finger geschaut. Die AfD will Beobachter entsenden. Das ist gesetzlich zulässig, den Generalverdacht hält Bürgermeister Martin Schairer (CDU) allerdings für unerträglich. Ihm ist auch unklar, welche Manipulationen die Rechtspartei für denkbar erachtet. Bei 350 Wahllokalen erscheint eine flächendeckende Benachteiligung einer Partei durch Betrug nur schwer organisierbar. Und vor Ort bewacht sich nach Schließung der Wahllokale ein halbes Dutzend Ehrenamtlicher bei der Auszählung von je 500 bis 1000 Stimmen und dem Abgleich mit dem Wählerverzeichnis gegenseitig. Hinzu kommt: einzelne unterschlagene Stimmzettel würden das Gesamtergebnis gar nicht beeinflussen. Ohnehin wird jede Differenz der Wahlleitung gemeldet, nennenswerte Abweichungen würden sogar den Staatsanwalt auf den Plan rufen. Wahlfälschung ist eine schwere Straftat und wird hart bestraft. Derlei sei noch nie vorgekommen, betont denn auch der Leiter des Statistischen Amts, Thomas Schwarz.

Er kann einen Rekord bei den Anträgen auf Briefwahl bei Landtagswahlen vermelden. Bis Freitag hatten 81 000 Wahlberechtigte ihre Unterlagen angefordert, davon 45 Prozent über das Internet. Das sind 13 000 mehr als bei der Landtagswahl 2011. Dass die Wahlbeteiligung über der von vor fünf Jahren liegen wird, ist aber unwahrscheinlich. Diese war wegen der Reaktorkatastrophe und dem Streit über S 21 mit 73,1 Prozent bereits ungewöhnlich hoch gewesen.

Grüne spüren keine Wechselstimmung

Der Grünen-Kreischef Mark Breitenbücher ist zuversichtlich: „Zwei Drittel der Baden-Württemberger wollen, dass auch der nächste Ministerpräsident Winfried Kretschmann heißt.“ Die Umfragen zeigten, dass es keine Wechselstimmung gebe. Das Ziel seien alle vier Direktmandate. „Mit der Politik einer grün-roten Landesregierung kann Stuttgart weiter den Weg einer weltoffenen Stadt gehen und zum Vorbild für andere Kommunen werden.“

Stefan Kaufmann (CDU) findet, „dass sich anders als bei vielen Gipfeln vorher nach dem EU-Sondergipfel am Montag endlich eine gesamteuropäische Lösung des Flüchtlingsproblems“ abzeichne. Dieser Erfolg der Kanzlerin helfe bei der Schlussmobilisierung im Landtagswahlkampf, „in dem das Thema Flüchtlinge nach wie vor eine zentrale Rolle spielt“.

SPD-Kreischef Dejan Perc hat festgestellt, dass „Zuspruch und Gespräche wesentlich besser“ seien, als es mancher Umfragewert für die SPD vermuten lasse. Weil die Hälfte der Befragten unentschlossen scheine, werde bis zum Wahltag gekämpft. Spitzenkandidat Schmid habe in der „Elefantenrunde“ mit Kompetenz, Schlagfertigkeit und Klarheit gepunktet. Perc glaubt an die Fortsetzung der Koalition.

Die Stuttgarter Grünen sehen sich deutlich mehr als eine Nasenlänge vorn, liegen doch ihre Resultate in der Stadt immer über jenen im Land – bei der Union ist es umgekehrt. 2011 holten die Grünen 34,5 Prozent (im Land 24,2 Prozent), die CDU lediglich 31,5 (39 Prozent im Land).

Nur fünf Abgeordnete aus Stuttgart im Landtag

Derzeit sind im Landtag lediglich fünf Stuttgarter Abgeordnete vertreten: die drei Grünen-Bewerber mit Direktmandat Muhterem Aras, Brigitte Lösch und der für Werner Wölfle nachgerückte Nikolaus Tschenk sowie Umweltminister Franz Untersteller mit einem Zweitmandat und der CDU-Direktmandatsgewinner Reinhard Löffler.

Im Wahlkreis I geht Muhterem Aras als Favoritin ins Rennen. Sie holte 2011 das beste Grünen-Ergebnis im Land mit 42,5 Prozent und 15,6 Punkten Vorsprung. Im Wahlkreis II ging es 2011 sehr knapp zu. Werner Wölfle (Grüne) hatte auf den Fildern 300 Stimmen (0,4 Prozent) Vorsprung vor dem Regionalpräsidenten Thomas Bopp (CDU). Dieses Mal tritt Verkehrsminister Winfried Hermann an – zum zweiten Mal nach 32 Jahren, und zwar gegen Stefanie Schorn, die aus Sillenbuch stammt.

Nur zwei SPD-Bewerber haben reelle Chancen

Hier wie in Mitte haben die SPD-Kandidaten Ergun Can und Stefanie Brum kaum Chancen auf ein Zweitmandat: 2011 lagen diese Wahlkreise ganz am Ende der relevanten Rangliste des Regierungsbezirks. Bessere Chancen haben im Norden Kulturstaatssekretärin Marion von Wartenberg, die ihrer Schwester Ruth Weckenmann nachfolgt, sowie der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann im Neckarwahlkreis. Im Wahlkreis III gibt es den Zweikampf zwischen Reinhard Löffler (CDU) und Franz Untersteller (Grüne). 6,2 Prozentpunkte trennten die beiden 2011. Der Umweltminister rechnet sich gute Chancen aus, zumal ihm der AfD-Vertreter Bernd Klingler ungewollt Schützenhilfe leistet. In den Neckarvororten geht es immer spannend zu. Hier haben sich früher SPD und CDU das Direktmandat streitig gemacht, bis es 2011 die Grünen-Abgeordnete Brigitte Lösch holte. Der Cannstatter Roland Schmid hofft auf ein politisches Comeback.

Von bundesweitem Interesse ist der Wahlkreis wegen des Kandidaten Bernd Riexinger. Der ehemalige Verdi-Geschäftsführer ist seit 2012 Parteichef der Linken. Die Prognose für die Kreispartei sind allerdings wenig ermutigend, obwohl im Wahlkreis I der bekannteste S-21-Gegner, Stadtrat und Ex-OB-Kandidat Hannes Rockenbauch, antritt. Zuversichtlicher schauen die Liberalen nach vorn. Sie rechnen fest mit Ergebnissen von „acht Prozent plus x“.