Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)
Die Medien sind also wieder mal schuld?
Nein, aber wenn über Landwirtschaft berichtet wird, dann zu 80 Prozent kritisch – nach dem Motto: Muss das denn alles sein? Und die Bürger regen sich darüber auf, wie Nutztiere heute gehalten werden. Doch dann gehen sie als Konsumenten zu Aldi und Lidl und kaufen das billigste Fleisch. Das ist einfach schizophren. Sie stehen am Weber-Grill für 800 Euro und legen eine Bratwurst für 89 Cent drauf, dann wischen sie sich den Mund ab und gucken im Fernsehen eine Sendung über Massentierhaltung und sagen: Wie furchtbar!
Warum fällt es den Menschen so schwer, den Zusammenhang zwischen Billigpreisen und den Bedingungen in den Ställen zu erkennen?
Im Grunde wissen die Leute das, aber sie machen sich lieber was vor. Man will ja moralisch auf der Höhe der Zeit sein. Viele würden gerne allen Flüchtlingen helfen oder umweltfreundlichere Autos fahren –und tun es am Ende doch nicht. Es gehört offensichtlich zum Wesen des Menschen, dass er sich was vormacht, um es überhaupt mit sich selbst auszuhalten.
Wie finden sie die aktuelle Imagekampagne des Bauernverbands „Wir machen …“?
Prinzipiell ist es gut, wenn für die Sache der Bauern geworben wird. Allerdings stellt diese Kampagne uns Landwirte als die Macher dar – mit der Botschaft: Wir sagen Euch jetzt mal, wie es wirklich ist. Das Problem der Verbraucher ist aber, dass sie der Landwirtschaft nicht mehr vertrauen. Da hilft es nicht viel, wenn der Bauernpräsident zu dem Slogan „Wir machen zart“ eine Möhre in die Kamera hält. Die Kampagne ist eher eine Steilvorlage für Kritiker, die daraus ganz schnell den Satz „Wir machen nur Mist“ machen werden. Das war auch so bei dem Slogan „Landwirtschaft mit Leidenschaft“. Daraus wurde ganz schnell „Landwirtschaft, die Leiden schafft“. Die Initiative „Heimische Landwirtschaft“ macht das besser: sie lässt die Bürger zu Wort kommen.
Bringen allgemeine Imagekampagnen überhaupt etwas? Kommt es nicht eher auf den einzelnen Landwirt an, der mit dem Verbraucher in Kontakt tritt – etwa über Videos aus dem Stall oder Hofbesuche?
Natürlich. Wenn ein Verbandsfunktionär etwas sagt, wird er in erster Linie als Interessenvertreter gesehen – egal ob er vom Bauernverband, von der Bäckerinnung oder vom Verband der Schornsteinfeger kommt. Der einzelne Landwirt ist da viel glaubwürdiger. Er kann Stallbesuche organisieren oder sich über das Internet mit Verbrauchern austauschen. Viele junge Landwirte sind auch bei Facebook. Da gibt es zwar auch mal heftige Reaktionen, aber mit Emotionen erreicht man oft mehr als nur mit Fakten.
Das geringe Verständnis der Öffentlichkeit hängt aber auch damit zusammen, dass es nach wie vor Landwirte gibt, die nicht so gerne zeigen, was sie tun –auch aus Angst, missverstanden zu werden.
Das Risiko besteht natürlich. Trotzdem täte mehr Offenheit der Diskussion gut. Nehmen sie zum Beispiel das Thema Nitrat im Grundwasser. Da gehört es zur Ehrlichkeit dazu, dass man einräumt: Es gibt Regionen in Deutschland, in denen das droht auszuufern und dass daran gearbeitet wird, aber möglicherweise noch nicht genug. Das wäre eine ehrliche Auseinandersetzung, vor der der Bauernverband aber zurückschreckt. Wenn man sich öffnet, muss man halt auch Kritik einstecken können.