Sie waren zu der Zeit im Kongo, als Afrika im Ausland hauptsächlich mit der Krankheit Ebola in Verbindung gebracht wurde. Hatten die Menschen dort, hatten Sie Angst vor einer Ansteckung?
Die Menschen im Kongo hatten große Angst vor Ebola und ich zu Beginn auch ein Stück weit. Vor allem am Anfang bestand die Gefahr, dass man sich bei Kranken ansteckt, die noch nicht diagnostiziert sind. Zur Beruhigung in unserer Region hat dann aber geführt, dass die Ebola-Ausbrüche in schwer erreichbaren Gebieten geschahen, was für die Hilfesuchenden tragisch war, weil die Helfer sie schwer erreichen konnten. Andererseits war dadurch das Risiko, dass die Krankheit sich schnell weit über den Kongo ausbreitet, sehr gering. Bis zuletzt bekam ich aber immer wieder Anfragen von Verwandten und Freunden, ob das wegen Ebola nicht zu gefährlich sei, ob ich nicht zurückkommen wolle.
Wie muss man sich Ihren Tagesablauf in der Region Nord-Kivu vorstellen, wo sie eingesetzt waren?
Ich war zunächst in Mweso tätig, an der Grenze zu Uganda, wo viele Vertriebene in Lagern leben. Es war ein Krankenhaus mit einer Station für mangelernährte Kinder, einer Kinder-, einer Säugling-, einer Erwachsenenstation, ich habe die einheimischen Ärzte und Krankenpfleger unterstützt. Dort gibt es auch eine Chirurgie, ein HIV- und ein Tuberkuloseprogramm und eine Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt. Da eine leitende Stelle unbesetzt war, musste ich einiges an Organisation übernehmen. Dreimal die Woche gab es Teambesprechungen zur Sicherheitslage, zu Unruhen, Neuigkeiten, Gefahrenstellen und Veränderungen der Bedürfnisse in der Region. Wir leisten ja auch Aufklärungsarbeit, und fahren in die Dörfer, um Kranke ambulant zu versorgen. In der Klinik habe ich bei der Visite mitgeholfen, die Kinder mit versorgt und viel Supervision übernommen: Was läuft gut, wo können wir mit den Einheimischen eine Fortbildung machen, damit sie sich künftig besser selbst helfen können?
Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Sehr berührt hat mich immer, wenn kleine Patienten ankamen, bei denen ich dachte, „oh Gott, der schafft es nicht“, die aber am nächsten Tag wieder die Augen aufgeschlagen und mich angelacht haben. Da war der vierjährige Zakayo. Seine Mutter brachte ihn, weil er an schwerer Mangelernährung litt. Wir konnten ihn zunächst mit Spezialnahrung und Medikamenten aufpäppeln. Aber dann kam sie eine Woche später mit ihm wieder, er war bewusstlos, hatte eine Lungenentzündung, hohes Fieber. Ich dachte, wir würden ihn verlieren. Dann haben die Medikamente angeschlagen. Jetzt springt er wieder durch die Straßen!
Mit welchen Krankheiten sind Sie vor allem konfrontiert worden?
In Walikale, meiner zweiten Station, wohin ich nach drei Monaten versetzt wurde, haben wir sehr viel mit Unterernährung und Malaria zu tun, weil das Klima dort im Dschungel feucht-heiß ist. Es gab häufig Durchfallerkrankungen, Lungenentzündungen, auch in Kombination mit Malaria. In Mweso habe ich hauptsächlich Neugeborene und Unterernährung behandelt.
Ein kurzer Vergleich: welche Probleme dominieren bei Kindern in Deutschland?
Da gibt es keine so großen Unterschiede, sieht man von Spezialbereichen wie der Kinderonkologie ab, oder von chronischen Erkrankungen. Im Tagesgeschäft kommen in Stuttgart wie im Kongo am häufigsten Infektionserkrankungen, Durchfallerkrankungen, Infekte der Luftwege vor, die hier natürlich meist früher medikamentös bekämpft werden können.
Was hat Sie am meisten belastet im Kongo?
Wenn ich gesehen habe, dass wir jemandem nicht helfen können. Aus verschiedenen Gründen waren etwa die Straßen oft nicht passierbar. Je weiter der Weg zu uns in die Klinik, desto mehr Gefahren gab es für die Hilfesuchenden unterwegs: Dass sie in starken Regen geraten, dass sie ausgeraubt, vergewaltigt oder entführt und zu Zwangsarbeit verpflichtet werden. Schwierig war auch zu akzeptieren, dass wir in Afrika nicht alle Erkrankungen behandeln können. Einmal wurde mir ein Mädchen mit Diabetes Typ 1 gebracht. Ich konnte ihr nicht helfen, auch weil es für das Insulin dort keinen Kühlschrank gibt.