Sie sind Dritter der europäischen Jahresbestenliste. Laufen Sie bei der EM um eine Medaille?
Kann sein. Doch es entscheiden andere Aspekte darüber, ob ich am Ende eines Rennens zufrieden bin oder nicht.
Zum Beispiel?
Der Sprinter, der eine gute Zeit erzielen will, darf sich keine Fehler erlauben – bei uns liegt zwischen Podest und Platz 20 manchmal nur eine Zehntel Sekunde. Da reicht es schon, zwei oder drei Schritte nicht richtig gesetzt zu haben. Deshalb will ich vor allem mein Ding machen und alles aus mir herausholen. Das bedeutet: Top in Form sein, keine Fehler machen, ein gutes Schrittbild, die passende Frequenz und Oberkörperhaltung, eine starke Endphase. Wenn das alles passt, dann bin ich zufrieden. Egal, ob es am Ende zu einer Medaille reicht oder nicht.
Keine Fehler machen zu dürfen – ist der Sprint deshalb für Sie so reizvoll?
Auch. Es ist schon eine spannende Situation, zu wissen, dass ein Fehlstart im olympischen Vorlauf die Planungen und Anstrengungen von vier Jahren zunichte machen kann. Und umso geiler, wenn man diesem Druck standhält und trotz aller Anspannung eine perfekte Leistung abliefert. Aber es gibt noch mehr reizvolle Dinge: Als Sprinter muss ich in der Lage sein, in zehn Sekunden alle Feinheiten abzurufen, die ich mir in monatelangem Training hart erarbeitet habe. Und dabei gibt es keine zweite Chance, keinen nächsten Versuch. Das ist eine große Herausforderung.
Sie starten bei der EM in Amsterdam über 100 Meter, 200 Meter und in der Staffel. Ein Mammutprogramm?
Es ist zumindest anstrengend, zumal die EM wegen der folgenden Olympischen Spiele einen Tag kürzer ist als sonst. Mein Vorteil ist allerdings, dass ich über 100 und 200 Meter zu den besten zwölf Europäern des Jahres gehöre und deshalb dank einer neuen Regel erst im Halbfinale einsteigen kann. Wenn ich in beiden Wettbewerben Vorläufe hätte bestreiten müssen, hätte ich nicht über 200 Meter starten können.
Wie wichtig ist Ihnen die Staffel?
Wenn Sie mich fragen, welchen Wettbewerb ich am liebsten laufe, könnten sie auch einen Vater fragen, welches seiner drei Kinder er am liebsten hat.
Okay, anders formuliert: Ist die deutsche Sprintstaffel gut genug, um nach EM-Silber 2014 erneut eine Medaille zu holen?
Das ist zumindest unser Ziel. Und ich bin optimistisch, dass wir es auch schaffen werden, wenn wir unsere volle Leistung abrufen und die Wechsel gut funktionieren.
Woher kommt das aktuelle Hoch im deutschen Männer-Sprint?
Es ist gar nicht so neu, hält schon an, seit wir 2012 kurz vor den Olympischen Spielen mit der Staffel den 30 Jahre alten deutschen Rekord geknackt haben und 38,02 Sekunden gelaufen sind. Gründe gibt es einige.
Zum Beispiel?
Wir profitieren ungemein voneinander, weil wir uns menschlich sehr gut verstehen, eine gute Kommunikation und großes Vertrauen zueinander haben. Zu unserer Gruppe gehören acht bis zehn Athleten. Wir verbringen monatelang in Trainingslagern und schaffen es dort, uns gemeinsam zu verbessern. Wir haben in der Individualsportart Leichtathletik einen richtigen Teamspirit entwickelt.