Die erhoffte Unterstützung beim Lärmschutz entlang der S-Bahn-Trasse ist bisher ausgeblieben. Durch Stuttgart 21 sollen auf der bisherigen S-Bahn-Strecke auch Fernverkehrszüge fahren. Politik und Anwohner sind verärgert.

Leinfelden-Echterdingen - Während zwischen den Stuttgart-21-Partnern die Stimmung zusehends frostiger wird und die Öffentlichkeit gespannt auf die Entscheidung des Bahnaufsichtsrats im März über die Fortführung oder den Ausstieg aus dem Milliardenprojekt wartet, fühlt sich die Filderkommune Leinfelden-Echterdingen beim Thema Lärmschutz allein gelassen. Für den Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt, Roland Klenk (CDU), ist die Angelegenheit alles andere als erfreulich. Der Rathauschef war im Spätsommer mit dem Bahnrepräsentanten für Baden-Württemberg, Eckart Fricke, zu einem Gespräch zusammengekommen. Dabei ging es um Verbesserungen des Schall- und Erschütterungsschutzes an der S-Bahn-Strecke, auf der durch Stuttgart 21 künftig auch Fernverkehrszüge fahren sollen, und zwar ungeachtet des Filderdialogs, bei dem eine Überarbeitung der Planungen für den Filderbahnhof angeregt worden war.

 

Zwar hat die Bahn wiederholt erklärt, keinen Lärmschutz über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus zu finanzieren. Doch Fricke zeigte sich seitens der Bahn bei dem Treffen immerhin bereit, die Wirksamkeit des beim Bau der S-Bahn bereits eingebauten Erschütterungsschutzes zu überprüfen und anhand der Messergebnisse mit den Projektpartnern über sinnvolle Verbesserungen nachzudenken. Dafür, so Fricke nach Recherchen der StZ, benötige die Bahn aber einen Auftrag des Arbeitskreises Baden-Württemberg, in dem sich die Projektpartner Bahn, Land, Stadt und Region zwischen den Sitzungen des S-21-Lenkungskreises austauschen. Klenk wiederum signalisierte, die Stadt sei grundsätzlich bereit, sich in einem angemessenen Umfang an Mehrkosten für den Lärmschutz zu beteiligen. In einem Schreiben an den Ministerialdirektor im Verkehrsministerium, Hartmut Bäumer, bat Klenk unter Verweis auf Frickes Aussagen im November darum, in der Sitzung des Gremiums darüber zu beraten, auf dass der Lenkungskreis im Januar dieses Jahres dann darüber entscheiden könne.

Verbaler Schlagabtausch der Projektpartner

In einem Telefonat nach Eingang des Schreibens habe Bäumer ihn gefragt, ob denn ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss zur Mitfinanzierung noch vor der Sitzung des Arbeitskreises herbeigeführt werden könne, so Klenk auf StZ-Anfrage. Der OB wertete dies als Auftrag, um die Voraussetzung für einen entsprechenden Beschluss der Projektpartner zu schaffen. Auf seinen Vorstoß hin beschloss der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen noch im Dezember bei einer Enthaltung, sich gegebenenfalls an der Finanzierung zusätzlicher Lärmschutzmaßnahmen zu beteiligen. Diese Entscheidung wiederum übermittelte Klenk vor Weihnachten dem Verkehrsministerium in der Hoffnung, dort Fürsprecher zu finden.

Doch es kam anders. Ende 2012 musste die Bahn Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro für Stuttgart 21 einräumen, die Projektpartner Land und Stadt reagierten empört. Da die Bahn sich außerstande sah, die notwendigen Berechnungen für die Kostenexplosion rechtzeitig zu liefern, geriet das informelle Treffen des Lenkungskreises Ende Januar zum verbalen Schlagabtausch der Projektpartner – Beschlüsse wurden nicht getroffen, auch nicht zum Thema Lärmschutz in „L-E“.

Rathauschef und Stadträte sind empört

Ende Januar hakte der OB nach – die Antwort des Ministerialdirektors, die der StZ vorliegt, empörte freilich nicht nur den Rathauschef, sondern auch die Stadträte. Lapidar teilte Bäumer dem OB mit, er begrüße zwar das klare Votum des Gemeinderats. „Ich darf allerdings darauf verweisen, dass für konkrete Maßnahmen und damit für das weitere Vorgehen zunächst die DB Netz AG als Bauherrin Ansprechpartnerin ist“. Er bitte Klenk deshalb darum, sich in der Angelegenheit doch mit der Bahn in Verbindung zu setzen. Das Land sei bereit, die Gespräche zwischen der Stadt und der Bahn zu begleiten.

Letzteres hält Klenk vor dem Hintergrund des von der Landesregierung initiierten Filderdialogs für eine Selbstverständlichkeit. Er hätte sich allerdings sehr viel mehr Unterstützung für sein Anliegen gewünscht. „Wir können lange und häufig mit der Bahn sprechen, aber ohne einen Auftrag der Projektpartner, also auch der Landesregierung, kann keine Klarheit über Art und Umfang möglicher Schutzmaßnahmen entstehen“, schrieb der OB zurück. Sein Appell: „Ich ersuche Sie als Vertreter des Landes dringend, diese Angelegenheit aktiv und fördernd zu begleiten.“ Die Bürger von Leinfelden-Echterdingen hätten keinerlei Verständnis für eine passive Haltung des Landes in dieser Sache. Bäumers Antwort steht noch aus.

Bahn profitiert bisher von Ausnahmeregelung

Möglicherweise erledigt sich das Problem für Leinfelden-Echterdingen aber auf anderem Wege. Falls der Bahn-Aufsichtsrat dem Weiterbau von Stuttgart 21 zustimmt, wird sich, wie die StZ mehrfach berichtet hat, der Umbau der Filderstrecke zwischen Rohrer Kurve und Flughafen gleichwohl um mindestens zwei Jahre verzögern. Bis dahin könnte der sogenannte Schienenbonus gefallen sein: Bisher profitiert die Bahn aufgrund dieser Ausnahmeregelung nämlich von deutlich höheren Lärmgrenzwerten entlang ihrer Gleistrassen im Vergleich zu Straßen.

Am Freitag hat der Bundesrat nun auf Initiative Baden-Württembergs den Vermittlungsausschuss von Länderkammer und Bundestag angerufen mit dem Ziel, der Deutschen Bahn von Januar 2015 an höheren Lärmschutz entlang der Schienentrassen vorzuschreiben.