Die finanzielle Unterstützung ihrer Arbeit reiche bei weitem nicht mehr. Um den Aufgaben gerecht zu werden, seien jährlich zusätzlich 1,4 Millionen Euro nötig. Auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald steigen die Anforderungen an die Bergretter.

Lenningen - Das Szenario ist realistisch: Eine junge Frau ist beim Klettern abgestürzt. Ein Griff ist ausgebrochen, sie hat den Halt verloren und ist am Fuß des rund 25 Meter hohen Stellfelsens im Gebiet der Lenninger Alb aufgeschlagen. Ihr Kletterpartner, der sie sichern sollte, ist von dem Felsbrocken getroffen und den bewaldeten, steilen Abhang hinuntergeschleudert worden. Die beiden Schwerverletzten liegen nun in dem unwegsamen Gelände und müssen geborgen werden. Die Aufgabe am Samstag bei einer Großübung der Bergwacht Württemberg ist durchaus anspruchsvoll.

 

Doch der Bereitschaftsleiter Edgar Balzer und seine Mitstreiter unterscheiden nicht zwischen Training und Ernstfall. Es kommt auf jede Minute an, entsprechend schnell rücken die Bergretter an, versorgen die vermeintlichen Unfallopfer vor Ort notärztlich und retten sie mittels einer Gebirgstrage und eines Bergungssacks aus dem nur schwer zugänglichen Terrain.

Das neue Einsatzleitermodell sitzt

Die gelungene Übung auf der Schwäbischen Alb beweist, dass das neue, im Kreis Esslingen erprobte Einsatzleitermodell sitzt. Damit will die Bergwacht gewährleisten, dass sie zu jeder Zeit und schnellstmöglich für solch schwierige Hilfsaktionen bereit ist – in einem Gelände, in dem die Kollegen anderer Rettungsdienste schnell an ihre Grenzen stoßen. Fälle wie der am Samstag inszenierte häufen sich auf der Schwäbischen Alb. Nicht nur an den Wochenenden, sondern auch werktags müssen verunglückte Kletterer, Mountainbiker, Gleitschirmflieger, Forstarbeiter und Autofahrer gerettet werden.

Mehr als 1500 Mal rücken die baden-württembergischen Bergretter mittlerweile pro Jahr aus – 250 Einsätze waren es noch vor 25 Jahren. Doch mit den massiv gestiegenen Anforderungen halte die finanzielle Unterstützung bei weitem nicht mit, klagt Günter Wöllhaf, der Leiter der Bergwacht Württemberg. „Wir wollen so behandelt werden wie der normale Rettungsdienst auch“, sagt er und fordert gemeinsam mit den Kollegen von der Bergwacht Schwarzwald vom Land und den Krankenkassen jährlich 1,4 Millionen Euro zusätzlich – eine Summe, die auf „belastbaren, in den vergangenen drei Jahren erhobenen Zahlen“ gründe.

Persönliche Ausrüstung wird aus eigener Tasche bezahlt

Bisher erhielten die beiden Landesverbände für ihre Arbeit lediglich einen gedeckelten Landeszuschuss von insgesamt 120 000 Euro pro Jahr. „So geht es nicht mehr weiter“, betont Günter Wöllhaf. Die rund 1300 aktiven Bergretter in Baden-Württemberg bezahlten ihre persönliche Ausrüstung, beispielsweise den Klettergurt, das Sicherungsmaterial und die Schuhe, aus der eigenen Tasche. Hinzu kämen für die beiden Bergwachtlandesverbände große finanzielle Belastungen durch die Anschaffung und Wartung von Einsatzfahrzeugen und die Funkausrüstung sowie die Kosten für Rettungsmaterial, Versicherungen und Ausbildung.

Die rund 5000 Euro für das sogenannte Zweibein, mit Hilfe dessen die Bergretter Verletzte aus einer steilen Felswand nach oben ziehen, habe die Bergwacht Lenninger Tal beispielsweise aus ihren eigenen bescheidenen finanziellen Mitteln bezahlt. Die Abteilungen seien auf Spenden und Erlöse aus eigenen Aktionen wie Bratwurstverkauf oder Altpapiersammlungen angewiesen, um den Rettungsdienst finanzieren zu können.

Günter Wöllhaf ist optimistisch

Im Rettungsdienstgesetz sei zwar verankert, dass der Staat 90 Prozent der Kosten übernimmt – allerdings mit dem kleinen, aber feinen Zusatz: „wenn es die Haushaltslage zulässt.“ Günter Wöllhaf wünscht deshalb ein vom Land (600 000 Euro) und den Kassen (800 000 Euro) finanziertes Budget, „mit dem wir Planungssicherheit haben“. Etwas neidisch blickt der Landesleiter auf die Nachbarn in Bayern. Dort sei der Rettungsdienst der Bergwacht einem gesetzlichen Auftrag unterstellt, die Kosten trage der Staat. Auch jene, die den Arbeitgebern für die Einsatzfreistellung der ehrenamtlichen Bergretter anfallen.

Günter Wöllhaf ist optimistisch, dass die Verhandlungen mit dem Landesinnenministerium und den Krankenkassen ein gutes Ende finden. Ein Vertreter der AOK habe zumindest schon „Verständnis signalisiert“. Der Landesbranddirektor Hermann Schröder, der für das Innenministerium über mehr Geld für die Bergwachten verhandelt , will „erst mal den tatsächlichen Bedarf feststellen“, an dem sich eine finanzielle Beteiligung orientiere.

Die beiden kerngesunden, für die Übung als schwer verletzt ausgegebenen Kletterer sind am Samstag schnell geborgen. Für die Bergretter bedeutet ein solcher Einsatz eine ungeheure Schinderei. Aber sie sind es gewöhnt: „Das ist eben unwegsames Gelände und nicht die Königsstraße“, sagt der Bereitschaftsleiter Edgar Balzer.