Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Rocksongs gibt es nämlich auf dem neuen Album des Rockgitarristen Lenny Kravitz auch. Sie sind allerdings in der Minderheit, und sie sind allesamt so schematisch eingespielt, dass man fast schon eine Stoppuhr mitlaufen lassen möchte: Intro, Strophe, Bridge und nach knapp über einer Minute der Refrain. Wieder und wieder. Das ist einfallsarm und reicht künstlerisch nicht an die großen Kravitz-Lieder wie "Fly away", "Always on the Run", "It ain't over till it's over" oder "Are you gonna go my Way" von seinen früheren Alben heran.

Der zweite Einwand gegen dieses Album ist seine stilistische Unentschiedenheit. Geboten wird Soul mit Falsettgesang ("Liquid Jesus"), Synthiepop ("In the black") und blubbernder Dancefunk ("Superlove") - ganz schön viel also. Zu viel? Zu viel auf jeden Fall, um angesichts dieses Kaleidoskops von einem Rockalbum zu sprechen. Zu wenig findet sich indes auf diesem eingängigen und formatradiotauglichen, textlich keineswegs überkomplexen Werk, von dem man sagen könnte, dass es sich im Hörgedächtnis festkrallt. Etwas mehr markante Positionierung und Reduktion auf wirklich ausgewählte Stücke (die De-Luxe-Version des Albums enthält neben einer Bonus-DVD sogar noch zwei zusätzliche Akustikversionen) hätte Kravitz gut getan.

 

Zwischen Beliebigkeit und stringentem Konzept

Umgekehrt ist das Album aber so solide bis stellenweise wirklich gut eingespielt und blitzsauber produziert - etwa der munter polternde Rocker "Everything". Auf dem schmalen Grat zwischen Beliebigkeit und stringentem Konzept, auf dem jeder wandelt, der ein stilistisch vielfältiges Album vorlegt, stürzt Lenny Kravitz nicht ab.

Man möchte ihm die vielfältigen Einflüsse und die frommen inhaltlichen Wünsche folglich tatsächlich als Vision eines funktionierenden, liberalen und sozial gerechten Schmelztiegels abnehmen, den sich allerdings weite Teile der amerikanischen Gesellschaft - gerade in diesen Tea-Party-Zeiten - ganz anders vorzustellen scheinen. Aber es ist ja vielleicht die vornehmste Aufgabe eines Künstlers, mit seinen Ausdrucksmitteln einen Beitrag zur Versöhnung seines innerlich zerrissenen Heimatlands leisten zu wollen. Auch wenn man von anderen Künstlern schon eindeutigere Statements vernommen hat: dieses Album von Lenny Kravitz ist auf seine Weise wichtig und richtig.

Das Album "Black and white America" ist bei Roadrunner Records/Warner als CD sowie De-Luxe-Edition mit DVD und Bonus-Tracks erschienen. Im Herbst kommt der exzellente Livemusiker Lenny Kravitz für fünf Konzerte nach Deutschland, darunter am 5. und 23. November nach Mannheim und München.

Seite 2: Zu viel um von einem Rockalbum zu sprechen


Rocksongs gibt es nämlich auf dem neuen Album des Rockgitarristen Lenny Kravitz auch. Sie sind allerdings in der Minderheit, und sie sind allesamt so schematisch eingespielt, dass man fast schon eine Stoppuhr mitlaufen lassen möchte: Intro, Strophe, Bridge und nach knapp über einer Minute der Refrain. Wieder und wieder. Das ist einfallsarm und reicht künstlerisch nicht an die großen Kravitz-Lieder wie "Fly away", "Always on the Run", "It ain't over till it's over" oder "Are you gonna go my Way" von seinen früheren Alben heran.

Der zweite Einwand gegen dieses Album ist seine stilistische Unentschiedenheit. Geboten wird Soul mit Falsettgesang ("Liquid Jesus"), Synthiepop ("In the black") und blubbernder Dancefunk ("Superlove") - ganz schön viel also. Zu viel? Zu viel auf jeden Fall, um angesichts dieses Kaleidoskops von einem Rockalbum zu sprechen. Zu wenig findet sich indes auf diesem eingängigen und formatradiotauglichen, textlich keineswegs überkomplexen Werk, von dem man sagen könnte, dass es sich im Hörgedächtnis festkrallt. Etwas mehr markante Positionierung und Reduktion auf wirklich ausgewählte Stücke (die De-Luxe-Version des Albums enthält neben einer Bonus-DVD sogar noch zwei zusätzliche Akustikversionen) hätte Kravitz gut getan.

Zwischen Beliebigkeit und stringentem Konzept

Umgekehrt ist das Album aber so solide bis stellenweise wirklich gut eingespielt und blitzsauber produziert - etwa der munter polternde Rocker "Everything". Auf dem schmalen Grat zwischen Beliebigkeit und stringentem Konzept, auf dem jeder wandelt, der ein stilistisch vielfältiges Album vorlegt, stürzt Lenny Kravitz nicht ab.

Man möchte ihm die vielfältigen Einflüsse und die frommen inhaltlichen Wünsche folglich tatsächlich als Vision eines funktionierenden, liberalen und sozial gerechten Schmelztiegels abnehmen, den sich allerdings weite Teile der amerikanischen Gesellschaft - gerade in diesen Tea-Party-Zeiten - ganz anders vorzustellen scheinen. Aber es ist ja vielleicht die vornehmste Aufgabe eines Künstlers, mit seinen Ausdrucksmitteln einen Beitrag zur Versöhnung seines innerlich zerrissenen Heimatlands leisten zu wollen. Auch wenn man von anderen Künstlern schon eindeutigere Statements vernommen hat: dieses Album von Lenny Kravitz ist auf seine Weise wichtig und richtig.

Das Album "Black and white America" ist bei Roadrunner Records/Warner als CD sowie De-Luxe-Edition mit DVD und Bonus-Tracks erschienen. Im Herbst kommt der exzellente Livemusiker Lenny Kravitz für fünf Konzerte nach Deutschland, darunter am 5. und 23. November nach Mannheim und München.