Eine beeindruckende Vorstellung hat der Liederkranz Ditzingen in der Stadthalle mit dem Musical „Aida“ gegeben. Bis ins Detail haben sich alle Beteiligten bei der Inszenierung Gedanken gemacht – mit Erfolg.

Leonberg/Ditzingen - Die drei Stunden vergehen wir im Fluge. So spannend ist die Geschichte von Prinzessin „Aida“, die der Liederkranz Ditzingen unter Leitung von Kai Müller am Samstagabend mit 100 Mitwirkenden im Alter zwischen 16 und 90 Jahren auf die Bühne der Stadthalle Leonberg bringt. Nicht die Oper von Giuseppe Verdi allerdings, sondern das gleichnamige Musical aus der Feder von Elton John mit Gesangstexten von Time Rice in der deutschen Fassung von Michael Kunze. Trotzdem ist es eine Riesenaufgabe für ein Amateurensemble, ein solches Werk überzeugend zu realisieren. Das ist, soviel sei vorneweg gesagt, den Ditzingern wirklich gelungen.

 

Im Musical geht es vor allem um die menschlichen Gefühle, welche die Hauptdarsteller in große Schwierigkeiten bringen und schlussendlich dafür sorgen, dass die Verwicklungen für keinen der Beteiligten ein gutes Ende nehmen. Den Schaffern des Musicals – und dem Ditzinger Ensemble – gelingt jedoch das Kunststück, dass das Publikum zum Schluss dennoch mit einem guten Gefühl zurückbleibt. Die nubische Prinzessin Aida und der ägyptische Heerführer Radames werden zwar wegen Hochverrats lebendig begraben. Aber sie geben sich ihrer Liebe hin und vertrauen darauf, in einem anderen Leben wieder vereint zu sein. Die ägyptische Prinzessin Amneris, die beide liebt, von beiden betrogen worden ist und dennoch erwirkt, dass sie gemeinsam in den Tod gehen dürfen – sie berichtet im Epilog, dass nach der Vollstreckung des schrecklichen Urteils der Krieg zwischen Ägypten und Nubien endlich beigelegt wurde und Frieden war.

Bis zum diesem Schluss passiert jedoch eine ganze Menge. Die beiden Protagonisten Aida und Radames müssen sich zuerst einmal kennenlernen. Dabei lassen die beiden Hauptdarsteller Monika Stumberger und Christian Wilms auf vergnügliche Weise die Funken sprühen: er als stolzer, ziemlich chauvinistischer Heerführer und sie als stolze, kratzbürstige Prinzessin, die sich ihrer Würde sehr bewusst ist, obgleich sie als Folge des jüngsten Feldzuges von Radames zur Sklavin geworden ist. Beide singen nicht nur wirklich gut, sie stellen auch die psychologische Entwicklung der Figuren überzeugend dar. Monika Stumberger vermittelt allein auf die Art, wie sie geht, wie aufrecht und unbestechlich ihr Wesen ist. Wilms macht spürbar, wie die raue Soldatenschale immer durchlässiger wird und darunter das Herz eines guten, unabhängigen Menschen zum Vorschein kommt.

Bemerkenswert gut sind aber auch die anderen großen Rollen besetzt. Die ägyptische Prinzessin Amneris zum Beispiel, dargestellt von Sonja Weigel, die sich vom oberflächlichen Modepüppchen zur weise handelnden Frau wandelt. Während sie immer mehr Tiefe entwickelt, bringt sie eine bemerkenswerte gesangliche Leistung. Andy Käfer verkörpert den intriganten Minister Zoser mit genau der richtigen Portion überheblicher Schmierigkeit, und Jörn Treskow als treuer Sklave Meret ist sowohl als Sänger wie auch als Schauspieler schlicht eine Wucht. Eine tolle Vorstellung gibt Alexandra Windholz als nubische Sklavin Nehebka.

Bis ins Detail haben sich alle Beteiligten bei der Inszenierung offenbar Gedanken gemacht – mit Erfolg. So hat Regisseur Sebastian Schmid mit den Ditzingern beispielsweise auf opulente Kostümorgien verzichtet, wie es das Thema hätte nahelegen können. Stattdessen sind die Nubier einfach schwarz angezogen, die Ägypter weiß, und das Sklavenlager wird durch ein großes, weißes Stoffdreieck an der Bühnenrückwand definiert, das sofort an eine Pyramide denken lässt. Für das Schlafgemach der Anneris genügte eine rote, rollbare Chaiselongue. Dennoch entsteht niemals der Eindruck, dass etwas fehlt. Im Gegenteil: es bleibt genügend Raum für das Zwischenmenschliche, um das es in der Musical-Fassung geht – ohne historische Beschränkung. Der Chor selbst, der oftmals die gesamte Bühne füllt, singt nicht nur großartig, sondern erfüllt zugleich diszipliniert und mit Feingefühl seine Aufgabe, die Szenen durch seine Präsenz lebendig und verständlich zu machen (Choreografie: Daniel Käsling). Musikalisch bestens unterstützt wurden die Vokalisten von der Torsten Bader Band.