Ein 17-Jähriger freut sich über das neue Modell: „Warum zwei Jahre vergeuden, wenn ich es in einem Jahr schaffen kann?“ Gemeint ist in beiden Fällen die Werkrealschulklasse 10 der Schellingschule. Diese Form des Unterrichts wird von der Einrichtung im Stadtzentrum nun zum ersten Mal angeboten.

Rutesheim - „Das ist eine sehr lernwillige Klasse“, lobt der Schulleiter Dieter Bölz-Hohkamp die 27 Jugendlichen. Ein 17-Jähriger freut sich über das neue Modell: „Warum zwei Jahre vergeuden, wenn ich es in einem Jahr schaffen kann?“ Gemeint ist in beiden Fällen die Werkrealschulklasse 10 der Schellingschule. Diese Form des Unterrichts wird von der Einrichtung im Stadtzentrum nun zum ersten Mal angeboten – und nach knapp drei Monaten sind eigentlich alle zufrieden.

 

„Das ist ein Novum, nun bieten alle weiterführenden Schulen in Leonberg den Hauptschulabschluss und den mittleren Bildungsabschluss an“, freut sich Bölz-Hohkamp. Damit stehe den 27 Schülern der Klasse 10 der Weg frei für qualifizierte Ausbildungsberufe und auch für den Besuch von technischen Gymnasien.

Möglich wurde die Klasse an der Schellingschule dadurch, dass es nicht mehr verpflichtend ist, einen Notendurchschnitt von 2,4 vorzuweisen. Das war bislang Voraussetzung, um in eine Werkrealschulklasse 10 zu besuchen, die es bislang nur an der August-Lämmle-Schule gab. Künftig gilt diese Schranke landesweit nicht mehr, und die Schellingschule kann mit 27 Interessenten für ihre zehnte Klasse mehr als die notwendige Schülerzahl von 16 vorweisen.

Von den Jugendlichen haben 22 auch bisher schon die Schellingschule besucht. Ausschlaggebend für diese Wahl war zum Beispiel das Jahr Zeitgewinn. „Die Schule ist toll“, schallt es aus der Runde. „Es hat genervt, dass es an der Berufsschule nur technische Fächer gab“, argumentiert ein Schüler, der zurück an die Schellingschule gekommen ist. „ Die Umstellung und die vielen Hausaufgaben am Anfang in der Klasse 10 waren aber ganz schön anstrengend“, räumt er schmunzelnd ein.

„Hier kennen wir unsere Lehrer, das ist wie Heimat“, meint eine Schülerin. „Ein nicht zu unterschätzendes Argument“, findet der Schulleiter Dieter Bölz-Hohkamp. „Für einige ist es leider so, dass die Schule ihr einziger Halt ist“, weiß der Pädagoge. „Hier erfahren sie Fürsorge und Schutz, fühlen sich aufgehoben und ernst genommen.“ Deshalb stehe der Klassenlehrer im Mittelpunkt, der bis zu 16 Stunden Unterricht mit der Klasse 10 habe.

„Es entstehen viele persönliche Bezüge“, berichtet der Klassenlehrer Bernhard Heß, der Deutsch, Englisch und MNT (Materie, Natur, Technik) unterrichtet. Großes Gewicht (je sieben Wochenstunden) wird auf die Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathematik gelegt. Auch die Wahlpflichtfächer, die die Schüler bereits seit der Klasse 8 belegen, werden nun vertieft: Natur und Technik, Gesundheit und Soziales sowie Wirtschaft und Informatik stehen hier auf dem Stundenplan.

„Der neuen Klasse 10 sind bereits in Klasse 9 intensive Beratungen mit den Eltern vorangegangen“, erläutert der Klassenlehrer. „Wir haben allen deutlich gemacht, dass es recht anspruchsvoll sein wird, bei einigen Schüler hatten wir auch Bedenken“, räumt Bernhard Heß ein. Doch sie wurden überrascht. „Alle anderen und selbst ich haben gedacht, ich schaffe es nicht. Aber gemeinsam ging es doch“, bekennt einer der Jugendlichen spontan, und die gesamte Klasse spendet ihm Beifall.

Inzwischen sind die Jugendlichen ganz gefangen von der Aufgabe, die ihnen Lehrer Joachim Wentsch im Fach „Kompetenztraining“ gestellt hat: Sie müssen aus Papier eine 60 Zentimeter lange Brücke bauen, die 500 Gramm trägt. „Mit handlungsorientierten anspruchsvollen Aufgaben erreichen wir eine gute Mitarbeit“, ist Wentsch zufrieden. Hier sind Teamgeist, Kommunikation, Problemlösung, Toleranz gefragt – also Schlüsselqualifikationen für das später Berufsleben.

Und da haben die 13 Jungen und 14 Mädchen ganz klare Vorstellungen, wie es nach Klasse 10 weitergehen soll. Ihre Berufswünsche reichen vom Besuch des Wirtschaftsgymnasiums über Krankenschwester, Bank- und Finanzkauffrau, IT-Systemelektroniker, Industriemechaniker, Forst-wirt bis hin zum Berufssoldaten.