Eine Eltinger Familie lebt für den exotischen Rennsport.

Leonberg - Der Fahrer eines BMX braucht kräftige Oberschenkel, um das kleine Fahrrad über Sprünge und Buckelpisten als erster ins Ziel zu pedalieren. Wenn er noch einen Beifahrer hat, wird die ganze Sache noch schweißtreibender. Eine Familie aus Eltingen ist dem BMX-Rennsport mit Seitenwagen verfallen – Kinder und Enkel fahren Rennen, Opa konstruiert im heimischen Garten die Rahmen.

 

Der Arbeitsplatz von Norbert Sautter sieht idyllisch aus. Zwischen Blumenbeeten und Gartenzaun hat er sich eine kleine Freiluft-Werkstatt eingerichtet. „Hier baue ich die Seitenwagen an die BMX-Räder an“, sagt er stolz. Angefangen hat die Leidenschaft mit einem Besuch in der Schweiz. „Ich habe damals mit alten Rädern an Oldtimer-Rallyes teilgenommen“, erinnert sich der gelernte Mechaniker. „Da hat man uns gefragt, ob wir nicht lieber etwas aufregenderes und schnelleres ausprobieren wollten. So sind wir zum BMX gekommen.“

Die ersten Starts waren bei traditionellen Solo-Rennen. „Dort hat meine Familie dann die Seitenwagen gesehen“, sagt Großvater Sautter, „da hat mich meine Enkelin gefragt; ‚Opa, kannst Du so was auch für mich bauen?’“ Aus ein paar dicken Alurohren und Blechen bastelte Norbert Sautter das erste eigene Renngespann für die Familie. „Das war vor rund sieben Jahren“, erinnert er sich. „Ich bin damals mit einem Foto und einem Meterstab über den Platz gelaufen und habe mir die Konstruktionen der anderen ganz genau angeschaut.“

Enkeltochter Madlen ist inzwischen vom Beifahrer zum Piloten aufgestiegen. „Seit dieser Saison fahre ich selbst“, sagt sie voller Stolz, „bisher bin ich immer im Seitenwagen meines Vaters mitgefahren.“ Während der Pilot lenkt und für Vortrieb sorgt, ist der Beifahrer mit der optimalen Gewichtsverteilung beschäftigt. „In einer Rechtskurve muss man sich ganz weit nach außen lehnen“, erklärt Madlen, „wenn es in die andere Richtung geht, legt sich der Mann im Seitenwagen hinter den Fahrer in die Kurve.“

Die Arbeit der Piloten ist schweißtreibend. „Die Strecken sind zwar nur rund 400 Meter lang“, berichtet Großvater Norbert, „dafür geht es bergauf, bergab und bei Sprüngen durch die Luft.“ Zwischen 23 und 27 Kilogramm wiegen die Renngeräte aus dem Hause Sautter. „Die Räder müssen in erster Linie stabil sein“, sagt Madlen. Mit Fahrer, Co-Pilot und Rad kommt dann aber doch ganz schön Gewicht zusammen. „Da braucht es viel Kraft in den Beinen.“

Madlen tritt mit ihrer Familie in der Deutsch-Schweizer-Meisterschaft, kurz DSM, der BMX-Fahrer an. Fast an jedem zweiten Wochenende sind die Sautters in der Schweiz unterwegs. „Die Rennwochenenden sind nicht so stressig wie in der Bundesliga“, erklärt Mechaniker Norbert. Am vergangenen Sonntag errangen die BMX-verrückten Eltinger die Plätze drei, vier und fünf. In der Gesamtwertung aller Läufe stehen die Gespanne aus Leonberg auf den Rängen eins, zwei und sechs.

Madlen will den Seitenwagen-Bau ihres Opas weiterführen. „Ich werde eine Lehre zur Industriemechanikerin beginnen“, sagt sie. Von September an wird sie ihre Ausbildung bei Daimler in Esslingen absolvieren. Die Familienleidenschaft möchte sie mit dem, was sie dort lernt, weiter vorantreiben. Dann werden ihr Vater Mike und die beiden Cousins Sören und Torben auf den Gespannen ihrer 16-jährigen Mitfahrerin unterwegs sein.

Im August wird Familie Sautter wieder in den Wohnwagen steigen. „Die nächsten Läufe sind in Bludenz und in Zug“, sagt Großvater Norbert. „Wenn es das Wetter zulässt, sind wir dann vielleicht schon mit einem neuen Renner am Start“, freut sich Madlen. Sie hofft auf Sonnenschein, damit ihr Großvater so viel wie möglich in seiner Freiluft-Werkstatt im Garten basteln kann. „Ich habe mir ein Gespann mit dem Seitenwagen auf der linken Seite gewünscht“, erzählt sie, „in den Regeln steht nichts davon, dass der immer rechts sein muss.“

Die Kraft in den Beinen wird die junge BMX-Pilotin allerdings weiterhin brauchen. „Ich bin zu Stahl als Werkstoff zurückgekehrt“, berichtet der Fahrradschrauber, „das ist stabiler und günstiger als Aluminium, auch wenn die Gespanne dann ein wenig schwerer ausfallen.“