Der Designer der neuen Banknoten, Reinhold Gerstetter, hat hier die Schulbank gedrückt. Er vertritt die Ansicht, dass Porträts von Persönlichkeiten Geldscheine sicherer machen und sich die Menschen damit besser identifizieren können.

Leonberg - Millionen Menschen halten täglich sein Werk in den Händen, ohne zu wissen, dass er es entworfen hat – Reinhold Gerstetter ist der Designer der aktuellen Euro-Scheine. „Es ist doch nichts Besonderes“, sagte er am Montag ganz bescheiden, „aber trotzdem ein gutes Gefühl.“ Am heutigen Dienstag kommt der neue Zehn-Euro-Schein in Umlauf. Die neue Fünf-Euro-Banknote, ebenfalls Produkt seiner Feder, gibt es bereits seit dem 2. Mai 2013.

 

Gerstetter ist am 18. Oktober 1945 in Leonberg geboren und aufgewachsen. Sein Vater arbeitete in der Druckerei der Leonberger Kreiszeitung, seine Schwester wohnt auch heute noch am Fuße des Engelbergs. Nach dem Abitur studierte er an der Stuttgarter Kunstakademie Grafikdesign, war anschließend in London, Haifa und Berlin in der Werbung tätig. Von 1979 bis 2002 war er Chefdesigner der Bundesdruckerei. Heute lebt er in Berlin.

„Neue Banknoten sind zunächst hochgeheim“, verrät Reinhold Gerstetter. Daran gearbeitet werde in gesicherten Räumen bei der Bundesdruckerei in Berlin. Die Entwürfe erhalten sogar Polizeischutz. Begonnen hat Gerstetter als Grafiker für Briefmarken, später folgten Banknoten. Zu seinen bekanntesten Entwürfen gehört die letzte Serie der D-Mark-Scheine, die von 1990 bis Anfang 2002 im Umlauf war. Anfang der 80er-Jahre hatte die Bundesbank beschlossen, neue Noten zu drucken. Die alten Scheine entsprachen nicht mehr den Sicherheitsstandards, sie waren zu leicht zu fälschen. 1987 rief die Bundesbank deshalb einen Gestaltungswettbewerb aus, an dem sich Gerstetter beteiligte – und ihn gewann.

„Mein Lieblingsschein unter diesen war der 100-Mark-Schein mit dem Porträt von Clara Schumann drauf“, verrät der Künstler. Entworfen hat er auch Banknoten für Spanien, Bolivien, Israel und Peru. „Der Dollar könnte mich noch reizen, er ist viel zu konservativ und nicht mehr zeitgemäß“, sagt der 68-Jährige und schmunzelt.

Reinhold Gerstetter ist es gelungen, wieder ein Gesicht auf die neuen Euro-Banknoten zu bringen – das der mythischen Figur Europa. Die Grundlage dafür ist die Abbildung dieser Göttin auf einer antiken griechischen Vase, die sich im Pariser Louvre befindet. Der Kopf der Europa ist ganz klein im seitlichen Hologramm und auch als Wasserzeichen zu sehen. Deshalb werden die neuen Scheine auch als die „Europa-Serie“ bezeichnet. Weil damals keine Gesichter die Euro-Banknoten zieren sollten, wurden die Entwürfe Reinhold Gerstetters für die erste Banknotenserie der Gemeinschaftswährung Euro von der Jury abgelehnt.

Der Chefdesigner der Bundesdruckerei hatte Porträts von fiktiven Personen aus verschiedenen Zeitaltern auf der einen und idealisierte Landschaften auf der anderen Seite vorgeschlagen. Als Siegerentwurf wurde der von Robert Kalina umgesetzt. Der Österreicher hatte anstatt der traditionellen Porträts auf die Euro-Banknoten idealisierte Brücken und Tore aus den verschiedenen Zeitaltern gezeichnet. Nun wurde Gerstetter mit der Gestaltung der zweiten Serie der Euro-Banknoten vom Fünf-Euro-Schein bis zur 500-er-Banknote beauftragt. „Alle Entwürfe sind auch schon fertig“, verrät der Ur-Leonberger. „Es gibt zwei Gründe, warum ich mich für Porträts auf Banknoten einsetze“, erläutert Gerstetter: Jeder Mensch habe von Kind auf eine Affinität zu Gesichtern. „Ändert sich etwas an einem Gesicht, merken wir das ganz schnell, also ist das auch ein gutes Sicherheitsmerkmal für ein Banknote“, ist sich Gerstetter sicher. „Zudem haben wir viele tolle Europäer – große Persönlichkeiten, mit denen sich die Menschen identifizieren können.“ Doch das sieht anscheinend nicht jeder so.

„Geldfälscherei ist heute eine Dummheit, weil man so schnell auffliegt“, sagt der Experte. Damit die Euro-Scheine noch fälschungssicherer werden, sind sie noch einmal überarbeitet worden. Insgesamt 4,3 Milliarden Zehn-Euro-Scheine haben die Notenbanken gedruckt. Die „alten“ Zehner verlieren selbstverständlich nicht ihre Gültigkeit. Doch sie werden schrittweise aus dem Verkehr gezogen. Die neuen Banknoten werden in sämtlichen 18 Ländern ausgegeben, die den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt haben.

Ein Chaos wie bei der Einführung der neuen Fünf-Euro-Note soll dieses Mal ausbleiben. Vor einem Jahr akzeptierten viele Parkschein- oder Fahrkartenautomaten die neuen Scheine zunächst nicht. Hersteller von Automaten und elektronischen Notenprüfern haben deshalb seit Monaten zu Testzwecken Zugriff auf die neuen Scheine.