Der Umgang mit demenzkranken Menschen gestaltet sich oft schwierig. Auch die pflegenden Angehörigen geraten schnell in eine soziale Isolation und sind durch ihre sehr belastende Aufgabe zum Teil überfordert.

Leonberg - Ich will ihm nicht das Gefühl geben, ihn wegzugeben.“ Die ältere Frau, die das sagt, weint. Es geht um ihren Mann, der an Demenz leidet. „Er weiß, dass er dement ist“, sagt die Seniorin und schluchzt. Sie pflegt ihren Mann, der auch drei Mal die Woche zur Dialyse muss, zuhause. Dabei geht es nicht einmal um die Frage, ob sie ihn in ein Pflegeheim geben soll. Sie möchte ihn einfach nur hin und wieder in die Tagespflege bringen.

 

„Sie brauchen dringend Entlastung, damit Ihnen die Kraft nicht ausgeht, um Ihren Mann zu pflegen“, rät ihr Hartwig von Krutzschenbach. Der Vorsitzende der Alzheimer-Stiftung Baden-Württemberg ist am Dienstagabend zum Themenabend Demenz und der Eröffnung der Foto-Ausstellung „Blaue und graue Tage“ ins Samariterstift gekommen. In einem informativen, aber auch einfühlsamen und humorvollen Referat hat er darüber berichtet, wie die Krankheit Demenz verläuft und was dies für die Erkrankten und deren Angehörige bedeutet.

Orientierung wird schlechter

„Menschen, die an Demenz erkranken, verlieren ihr Orientierungsvermögen“, erklärte von Krutzschenbach, der auch den Sozialpsychiatrischen Dienst für alte Menschen im Kreis Esslingen leitet. Zuerst leide die zeitliche Orientierung, welcher Tag, welches Jahr es ist, ob Morgen oder Nachmittag. Dann verschlechtert sich die örtliche Orientierung. Die Menschen erkennen Gebäude nicht mehr, erinnern sich an ein anderes, früheres Zuhause. Auch das Verstehen und Erkennen von Situationen wird schlechter, die Dementen begreifen nicht mehr, was um sie herum passiert. Die vierte Ebene betrifft dann das Verhältnis zu anderen und zur eigenen Person. Angehörige werden nicht mehr erkannt, die Demenzkranken sehen sich im Spiegel, aber wissen nicht mehr, dass sie das sind. „Was sich nicht verändert, ist die Gefühlswelt. Darüber muss man einen Zugang finden“, sagt Hartwig von Krutzschenbach.

„Wenn wir gemeinsam was machen, dann ist die Freude ungeheuer groß“, erzählt Gerhard Stöckle. Der Leonberger pflegt seit drei Jahren seine an Demenz erkrankte Frau. Seit etwa anderthalb Jahren spricht die 65-Jährige kaum noch, ist jedoch immer noch aktiv und bei allem dabei. Sogar an den Tegernsee fahren die beiden in den Urlaub. Doch nicht nur die Demenzkranken brauchen mehr Verständnis. Die Angehörigen geraten durch die Krankheit und die Pflege oft in eine soziale Isolation. Wer pflegt, dem fehlt häufig die Anerkennung dafür. Einsamkeit, Hilflosigkeit, das Gefühl, immer für den Dementen da sein zu müssen, eigene Pläne hintenanzustellen, aber auch finanzielle und psychosomatische Probleme können die Folge sein. Ganz zu schweigen von der eigentlichen Pflegeaufgabe. Häufig treten auch nicht bewältigte Konflikte wieder zu Tage. Wer den Kranken in ein Pflegeheim gibt, wird hingegen oft vom Umfeld dafür verurteilt.

„Ohne das könnte ich mich nicht um sie kümmern

Im Samariterstift schildert Gerhard Stöckle den Zuhörern, wie es ist, einen erkrankten Angehörigen zu pflegen. „Meiner Frau geht es im Moment gut, aber bei mir kommen jetzt langsam die Einschläge“, sagt der Leonberger, der durch die permanente Pflege immer wieder an seine Grenzen gerät. Er ist früher in Rente gegangen, um sich um seine Frau zu kümmern. „Finanziell passt das noch. Aber wenn Sie mal ins Pflegeheim muss, wird es eng.“ Irgendwann kommt der Tag, das weiß er. Schon jetzt verbringt seine Frau drei Mal pro Woche acht Stunden in der Tagespflege im Samariterstift. „Sie geht gern dahin. Und ohne das könnte ich mich nicht daheim um sie kümmern“, sagt Stöckle.