Sie trampeln immer häufiger Zäune von Wochenendgrundstücken nieder und fressen Gärten leer. Auch die Nähe zu Menschen wird gesucht. Die Tiere haben gelernt, dass sie dort sicher vor dem Abschuss sind.

Leonberg - Innerhalb von drei Wochen hat es Klaus Schindler gleich zwei Mal getroffen. „Unser Garten im hinteren Ehrenberg ist in großen Teilen erheblich verwüstet“, sagt der Leonberger. Die Übeltäter: Wildschweine. „Sie ließen sich auch von dem Zaun, der unser Grundstück einfriedet, nicht davon abhalten, auf das Gelände vorzudringen. Der Zaun wurde an zwei Stellen beschädigt“, berichtet Klaus Schindler. Immer wieder und immer öfter komme es zu Wildschweinschäden.

 

Das bestätigt auch die Stadt Leonberg. „Es kommt regelmäßig zu Konflikten, wenn die Wildschweine zu nah sind“, sagt die Stadtsprecherin Undine Thiel. Betroffen sei nicht nur der Ehrenberg, sondern auch die Bereiche Feinau, Schumisberg, Mahdental und die Wochenendgrundstücke rund um Warmbronn.

„Wir haben in früheren Jahren bereits zwei Mal die Stadtranderholung von Warmbronn nach Gebersheim verlegen müssen, weil das Gelände neben der Staigwaldhalle von Wildschweinen umgepflügt worden war“, nennt die Rathaus-Sprecherin ein anschauliches Beispiel.

Die Wildschwein-Population ist in den vergangenen zwei Jahren gewachsen. Im Herbst 2014 gab es viele Bucheckern und Eicheln, der folgende Winter blieb mild.

Die Stadt kommt den Tieren näher und die Tiere der Stadt

Für die Häufung der Schäden gibt es aber zwei weitere Erklärungen. Zum einen kommt der Mensch dem Lebensraum der Tiere immer näher. Leonberg verfügt über relativ viel Stadtwald. Doch dieser wird zerschnitten von der Autobahn sowie großen Straßen wie der B 295, der Mahdentalstraße (L 1187) oder auch der L 1188 vom Glemseck nach Sindelfingen. Das schränkt den Bewegungsspielraum der Wildtiere ein.

Ob sich auch Unfälle mit Wildtieren gehäuft haben, dazu kann das Polizeipräsidium Ludwigsburg keine Angaben machen. „Wildunfälle werden bei uns erst als solche erfasst, wenn dabei Menschen verletzt werden“, erklärt der Pressesprecher Peter Widenhorn. Bei reinen Sachschäden gebe es keine Unterscheidung.

Zum anderen kommen auch die Wildschweine dem Menschen immer näher. Denn dumm sind die Tiere nicht. „Sie haben gelernt, dass sie von den Jägern nichts zu befürchten haben, wenn sie nahe genug am Siedlungsgebiet sind“, erklärt Undine Thiel.

Sehr gut könne man das an der oberen Neuen Ramtelstraße oder neben der Autobahn beobachten. „Wenn man genau aufpasst, sieht man dort Wildschweine in der Böschung.“ Tagsüber legen sich die Tiere dort zum Schlafen nieder. Wenn sie in der Dämmerung aufwachen, haben sie dann Hunger und suchen die nahegelegenen Gärten etwa im Ehrenberg auf. Probleme bereiteten dabei auch verwilderte Grundstücke, die für die Schwarzkittel „ein Eldorado“ seien und es ihnen einfach machten, an Nahrung zu kommen.

Konflikte zwischen Jägern und Tierschützern

Der Gartenbesitzer Klaus Schindler wünscht sich eine Lösung des Problems, immerhin bleibt er auf den Kosten des Wildschadens sitzen. Doch das gestaltet sich alles andere als einfach. Zwei Konflikte gibt es dabei: zum einen der altbekannte Streit zwischen Jägern und Tierschützern, zum anderen das Thema Sicherheit.

Der Leonberger Stadtwald ist in Parzellen aufgeteilt, die an Jagdpächter verpachtet sind. Nur diese dürfen auch dort jagen. In der Stadt mit allen Teilorten gibt es insgesamt fünf Jagdgesellschaften. Jede von ihnen veranstaltet eine Treibjagd im Jahr. Beim Jagdrecht gab es in den vergangenen Jahren aber mehr Einschränkungen. Zudem kritisieren Tierschützer wiederholt die Methoden der Treibjagd.

Aber auch das Thema Sicherheit spielt eine Rolle. Die betroffenen Gebiete sind nicht nur bei Wildschweinen, sondern zudem bei Erholungssuchenden – vom Jogger bis zum Gassi-Geher – beliebt. Den Pächtern bleiben nur wenige Nachtstunden zur Jagd. „Wenn am Ehrenberg oder am Schumisberg Schüsse fallen, hört man das im Stadtteil Ramtel. Anwohner rufen deshalb regelmäßig die Polizei“, berichtet die Sprecherin der Stadt. Sie betont jedoch, die Verwaltung sei froh, wenn die Jäger ihre Pacht aktiv wahrnehmen.

Auffällig ist, dass die gemeldeten Schäden fast ausschließlich von Wildschweinen stammen. Bissschäden von Rehen gebe es dagegen kaum. Neben Schwarzkitteln fallen nur noch Marder und Füchse auf. Letztere werden in Leonberg vor allem von vollen Mülleimern angezogen und streifen in der Dämmerung ungeniert durch die Wohngebiete.