Das Regierungspräsidium will an der A 8 eine Abbiegespur zwischen dem Kreuz Stuttgart und dem Leonberger Dreieck anbauen. Obwohl dieser so genannte „Verflechtungsstreifen“ schon lange geplant ist, wird der fehlende Lärmschutz kritisiert.

Leonberg - Was ist der Unterschied zwischen einem Ausbau und einem Umbau? Bei einem Umbau wird der Charakter nicht wesentlich verändert, bei einem Ausbau schon. Was sich für Otto-Normalbürger völlig abstrus anhört, ist im Verkehrswesen gängige Rechtsauffassung. Denn nur, wenn der „Charakter“ einer Straße wesentlich verändert wird, greifen die neuen – und in der Regel auch strengeren – Schutzbestimmungen

 

Etwa beim Thema Schutz vor Lärm und Schadstoffen. So auch beim so genannten Verflechtungsstreifen auf der A 8 zwischen dem Kreuz Stuttgart und dem Dreieck Leonberg, den das Regierungspräsidium Stuttgart gerade plant. Dieser soll ab dem kommenden Jahr gebaut werden und die bereits bestehenden Überleitungen von der A 81 auf die A 8 am Stuttgarter Kreuz Richtung Karlsruhe und von der A 8 auf die A 81 Richtung Heilbronn am Leonberger Dreieck verbinden, so der Plan.

„Das Regierungspräsidium versucht, mit einer Art Salamitaktik mit äußerst strenger Auslegung der ohnehin bescheidenen Gesetzeslage und Verwaltungstricks, Lärmschutz einzusparen“, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm Leonberg (AGVL) in einer Mitteilung. Der Vorwurf: Das Projekt sei ein vierspuriger Ausbau durch die Hintertür. Pikant an der Sache: Das Regierungspräsidium spricht von einem „Verflechtungsstreifen“, der eine Überfahrt von der A 81 auf den anderen Abschnitt der A 81 ohne Spurwechsel ermöglicht. Auf Nachfrage gibt man aber zu, dass dieser nicht markiert wird, sondern als „normaler“ Fahrstreifen angebaut wird.

Ein vierter Fahrstreifen ist auf diesem Abschnitt schon lange geplant. In der Gegenrichtung wurde er bereits realisiert. Und er ist auch bitter nötig. Schon jetzt fahren hier täglich etwa 152 000 Fahrzeuge entlang. In zehn Jahren könnten es laut Prognose sogar 170 000 sein. Beim Schwerlastverkehr wird mit einem Anstieg von 15 auf knapp 23 Prozent gerechnet. „Damit sind wir im Spitzenbereich Deutschlands und Europas. Diese Verkehrsmenge ist nur mit vier Fahrstreifen zu bewältigen“, räumt der AVGL-Sprecher Ewald Thoma ein.

Umso schärfer kritisieren sie die Logik des Regierungspräsidiums. Dessen Argument: Der vierte Streifen sei nötig, um den Verkehr zu bewältigen. Gleichzeitig sorge er aber nicht dafür, dass die Verkehrsmenge zunehme. Der zusätzliche Fahrstreifen sei somit rechtliche keine wesentliche Änderung, wodurch eben nicht die strengeren gesetzlichen Grenzwerte gelten würden.

„ Das RP bewegt sich damit auf rechtlich schwankendem Boden“, kommentiert die AGVL. Diese kritisiert wie auch der Leonberger Gemeinderat, dass die Auswirkungen auf die Anlieger nicht berücksichtigt würden. „Obwohl ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Berücksichtigung solcher ‚Fernwirkungen’ erst kürzlich ausdrücklich bestätigt hat“, schreibt die Lärmschutzaktivisten. „Statt die Bestimmungen bürgerfreundlich auszulegen und Spielräume zu nutzen, geschieht das Gegenteil“, heißt es weiter.

Das Regierungspräsidium reagiert auf die Vorwürfe gelassen. Derzeit würden alle Kommunen angehört. An der Auffassung, dass es sich bei dem Projekt nicht um eine „wesentliche Änderung“ handelt, habe sich nichts geändert. Der zusätzliche Fahrstreifen ist zudem ein Wunschprojekt des Landesverkehrsministeriums. Der grüne Minister Winfried Hermann erklärte am Rande einer Veranstaltung kürzlich: „Wir werden diese Verflechtungsstreifen bauen, um das Kreuz zu entlasten.“ Das grundlegende Problem ist laut AGVL aber an zwei anderen Stellen zu suchen. Zum einen sei Leonberg das Opfer einer gescheiterten Verkehrsplanung im Ballungsraum Stuttgart.

Wer Stuttgart umfahren will, müsse über die Leonberger Gemarkung fahren. Zum anderen sei auch die Lärmgesetzgebung bei solch hohen Verkehrsbelastungen völlig ungeeignet. „Sie stammt noch aus den 70er-Jahren, als solche Verkehrsmengen nicht vorstellbar waren“, erklärt Ewald Thoma von der Arbeitsgemeinschaft. Zudem würden die verschiedenen Lärmarten Straße, Bahn und Flugverkehr nur isoliert betrachtet.

Deshalb fordern die Lärmschutzaktivisten, dass die Situation an der Autobahn als Ganzes betrachtet wird. Die Ergebnisse sollten transparent und offen diskutiert werden. Und es solle ein Konzept erarbeitet werden, wie die Folgen des Verkehrs gemildert werden könnten. Dabei wünscht sich die AGVL auch eine Kooperation mit den Nachbarkommunen. Zudem müssten in den Luftreinhalteplan auch endlich die Autobahnen einbezogen werden. „Das muss auf die Tagesordnung“, so Thoma.