Der Diebstahl von Blättern ist unter Wengertern ein bekanntes Problem. Vor allem die Qualität leidet.

Leonberg - Dass Obstbauern oftmals Äpfel von den Bäumen oder Beeren von den Feldern geklaut werden, ist bekannt. Dass es Diebe auf Blätter abgesehen haben, kommt dagegen wohl eher selten vor. Weinbauern haben mit diesem Problem aber immer wieder zu kämpfen. Erst jetzt wieder erlebte Hobby-Weinbauer Joachim Fröschle aus Leonberg eine böse Überraschung, als er eines Tages auf seinen Weinberg kam, und 30 bis 40 Stöcke kahl und abgerupft vor ihm standen.

 

Anders als Apfelblätter gelten gefüllte Weinblätter bekanntlich als Delikatesse. Manche Menschen rupfen deshalb unbedacht für den Eigenbedarf etwas ab – oder auch etwas mehr. Dass Blätter im großen Stil für den Verkauf oder ähnliches geklaut werden, ist Werner Bader, dem Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg, allerdings noch nicht untergekommen. Auch der Polizeidirektion Ludwigsburg, die für die Landkreise Böblingen und Ludwigsburg zuständig ist, sind entsprechende Vorkommnisse gar nicht bekannt. Allerdings werden sie häufig auch gar nicht zur Anzeige gebracht. Werner Bader spricht von einem „kleinen, aber unangenehmen Randproblem, das alle Jahre wieder vorkommt“.

Diebstähle sind ein Problem für die Pflanzen – und den Dieb

Viele denken sich einfach nichts dabei, glaubt er. Doch die Diebstähle – „und nichts anderes ist es“, betont er – bilden für einen Weinbauern ein echtes Problem und können auch für den Dieb selbst unangenehm werden. „Die Pflanze braucht die Blätter, um die Sonnenenergie umzuwandeln“, erklärt Joachim Fröschle. Fehlen die Blätter, fehlen dem Rebstock die Nährstoffe – und „das bedeutet einen erheblichen Qualitätsverlust“. Natürlich werden die Pflanzen auch immer wieder ausgelichtet, ergänzt Bader, „aber man muss wissen, welche Blätter man wegnehmen kann, weil sie nicht mehr für die Fotosynthese taugen, und welche nicht“. Hinzu kommt der Umstand, dass die Blätter vom Weinstock auf den Hängen häufig gespritzt sind. „Sie sind deswegen nicht giftig, aber auf jeden Fall nicht für den Verzehr geeignet“, sagt Fröschle. Zumindest im direkten Anschluss an eine Behandlung.

Er sei schon öfters von Leuten im Vorbeigehen angesprochen worden, die ihn nach Weinblättern fragten, sagt Fröschle. Grundsätzlich sei es auch kein Problem, die Überbleibsel nach den Laubarbeiten zu bekommen. Wohlgemerkt: von den unbehandelten Sorten. Aber das die Menschen einfach herkommen und drauflosrupfen, ärgert ihn sehr. Zumal es nicht das erste Mal ist, dass Joachim Fröschle plötzlich vor abgeernteten Weinstöcken steht. „So radikal wie dieses Jahr war es aber noch nie.“ 10 bis 15 Prozent seiner Ernte, schätzt er, werden deshalb stark beeinträchtigt sein.

Vor Jahren bereits die gleiche Situation

Albert Kaspari, der Vorsitzende des Obst-, Garten- und Weinbauvereins Eltingen-Leonberg, weiß um das Problem. Aktuell sei der Diebstahl bei Joachim Fröschle der einzige ihm bekannte aus der näheren Umgebung. „Vor Jahren hatten wir das aber schon einmal hier“, berichtet er. Viele Möglichkeiten, das zu verhindern, gibt es kaum, glaubt er. „Damals haben wir extra Schilder aufgestellt, auf denen die Problematik mit dem Spritzen und der Gefahr für die Pflanze erklärt war. Das hat wohl geholfen, denn das spricht sich herum.“

Der Eltinger Wengert Martin Hartmann hatte vor einigen Jahren das gleiche Problem. Seine Spätburgunderreben am Ehrenberg sahen aus, als wären Heuschrecken darüber hergefallen. Reihenweise ragten die jungen Trieben kahl in die Höhe. Wo große, frische Blätter sein sollten, fehlte jede Spur von Grün. Nur hier und da war noch kärgliche Reste des Blattstieles zu sehen.

Der Wengerter Hartmann war sich sicher, dass seine Blätter im Kochtopf gelandet waren und zwar als Basis für eine Spezialität der orientalischen Küche – Dolma genannt. Das sind gefüllte Weinblätter, die traditionell als Vorspeise gegessen werden. Der Name des Gerichts stammt aus dem Türkischen und bedeutet „gefüllt“. Er habe nichts dagegen, meinte der Eltinger seinerzeit, wenn jemand ein paar Blätter für ein Gericht abzupfe, sagte Hartmann, der solche Diebstähle schon seit Jahren kennt. Aber nicht in diesem Ausmaß.