Im Interview erzählt Brigitte Aichele-Frölich vom Lesben- und Schwulenverband in Stuttgart, welchen Vorurteilen homosexuelle Eltern und ihre Kinder ausgesetzt sind – und weshalb Betroffene Angst haben.

Stuttgart – - Drei Tage lang ist es beim Regenbogenfamilien-Seminar des baden-württembergischen Lesben- und Schwulenverbands in Stuttgart um den Alltag und die Nöte von Familien mit lesbischen Müttern oder schwulen Vätern gegangen. Zur Veranstaltung, die zum zehnten Mal stattfand, kamen 120 Erwachsene und 60 Kinder.
Frau Aichele-Frölich, weshalb ist es notwendig, solche Seminare zu veranstalten?
Die Regenbogenfamilien sind in ihrem Alltag diesem hetero-normativen Familienbild ausgesetzt. Es wird nur berücksichtigt Vater, Mutter, Kind. Was anderes gibt’s in Kindergarten und Schule meistens nicht.
Was bedeutet das konkret?
So werden Einladungen immer an Papa und Mama ausgesprochen. Oder es gibt Väter-Veranstaltungen. Veränderte Familiensituationen werden nicht berücksichtigt.
Wo liegen die Hauptprobleme für sogenannte Regenbogenfamilien?
Ansonsten gibt es im Alltag nicht so viele Probleme. Die sogenannten normalen Familien und auch Alleinerziehende und ihre Kinder gehen mit uns völlig normal um. Wenn die Kinder sagen: ,Ich hab zwei Mütter‘ oder ,Ich hab zwei Väter‘, wird erstaunt nachgefragt: ,Ja, wieso?‘ Das sind Themen, die wir besprechen: Wie sollen die Kinder darauf reagieren? Man muss sie stärken, ihnen Selbstbewusstsein mitgeben.
Wie gehen die Kinder damit um?
Kinder haben überhaupt kein Problem damit. Für die Eltern ist das eher ein Thema.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Leben in einer Großstadt wie Stuttgart und auf dem Land?
Wir haben in einem Vorort von Isny gewohnt, einem Ort mit 300 Einwohnern. Und wir hatten dort keine Probleme. Wir haben zwei Kinder dort bekommen, beide als Hausgeburten. Es ist eher so, dass Lesben und vor allem Schwule Vorbehalte gegen ein Leben auf dem Land haben und Angst, sich dort zu outen. Wir hatten diese Angst auch lange. Ich hab mich in meinem Job erst mit 40 geoutet – aber nur, weil wir Kinder bekommen haben und sie später nicht in Erklärungsnot bringen wollten.
Würden Sie Regenbogeneltern raten, sich im Beruf zu outen?
Das kommt drauf an. Wenn es von Arbeitgeberseite her möglich wäre, würde ich sagen Ja. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Aber wenn man als Arbeitgeber die katholische Kirche hat, muss man klar davon abraten.