Immer mehr Menschen leiden unter Verdauungsbeschwerden. Stephan Bischoff von der Uni Hohenheim sucht nach den Ursachen.

Stuttgart - Das ist schon eine besorgniserregende Entwicklung. Ein Drittel der Bevölkerung verträgt bestimmte Lebensmittel nicht oder reagiert überempfindlich“, sagte Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner an der Uni Hohenheim bei der Leser-Uni. In seinem Vortrag „Warum vertragen so viele Menschen ihr Essen nicht?“ machte er im voll besetzten Hörsaal der Uni Hohenheim klar, dass man dabei zwischen Unverträglichkeiten und Allergien unterscheiden müsse.

 

Die Liste der potenziell unverträglichen Nahrungsbestandteile ist lang. Millionen Menschen hadern mit Milchzucker (Laktose). Betroffene können diesen Zucker nicht in seine Bestandteile zerlegen, er wandert ungehindert in den Darm. „Dort freuen sich die Bakterien, bauen die Laktose ab und produzieren dabei Unmengen an Gasen“, so Bischoff. Blähungen und ein angespannter Bauch seien die Folge. Es könne aber schnell schlimmer werden, und schmerzhafter Durchfall quäle die Betroffenen. Dass die Fallzahlen dieses Leidens zugenommen haben, liege einerseits an der verbesserten Diagnostik, andererseits an der stärkeren Wahrnehmung. Zudem werde die Unverträglichkeit mit dem Alter häufiger. „Kinder sind sehr selten davon betroffen“, berichtete der Ernährungsexperte. Daher nehme bei einer Bevölkerung, die immer älter werde, auch die Laktoseintoleranz zu. Die Therapie ist einfach: Milchzucker weglassen. Das ist inzwischen nicht mehr schwierig, da es genügend laktosefreie Produkte gibt. Wichtig dabei ist: nicht auf Milchprodukte komplett verzichten. Denn dann fehlen dem Organismen wichtige Bestandteile, wie etwa Kalzium und Vitamin D. Diese sind wichtig für den Knochenbau. „Gerade im Alter sollte man darauf achten, denn bei einem Mangel besteht die Gefahr der Osteoporose“, sagte Bischoff.

Bei der Suche nach den Ursachen tappen die Forscher im Dunkeln

Andere Intoleranzen, etwa gegen Fruchtzucker oder Weizen, seien seltener, so der Ernährungsmediziner. Auch die häufig beschriebene Intoleranz gegen Histamin werde überschätzt. Histamin wird vom Körper bei bestimmten Immunreaktionen selbst gebildet und auch wieder abgebaut. Histamin ist in vielen Lebensmitteln vorhanden, und bei Menschen, die es nicht vertragen, wird der Stoff möglicherweise nicht schnell genug vom Körper abgebaut. Allerdings tappe man bei der Suche nach den Ursachen im Dunkeln, erklärte Bischoff. Es gebe auch keine wissenschaftlich etablierte Diagnostik, ebenso wenig eine Therapie.

Man könne versuchen, auf Lebensmittel mit Histamin zu verzichten. Doch das sei extrem schwierig, denn der Histamingehalt hänge auch von der Verarbeitung oder dem Zustand der Produkte ab. Beispiel Fisch: „In frisch gefangenem Fisch findet man gar kein Histamin. Ist er in Stuttgart angekommen, enthält er Histamin. Und wenn der Fisch noch eine Weile lagert, muss mit weiteren Mengen Histamin gerechnet werden“, so Bischoff. Diese Art der Intoleranz sei ein schwieriges Krankheitsbild.

Klar abzugrenzen sind hingegen Allergien. Diese zu erforschen ist eine der Aufgaben des Wissenschaftlers. Dazu gehört die Ursachenfindung ebenso wie die Entwicklung erfolgreicher Therapien. So gibt es etwa seit zwei Jahren eine Leitlinie zur Behandlung von Nahrungsmittelallergien, an der Bischoff maßgeblich mitgearbeitet hat. Allergien können im Gegensatz zu Intoleranzen lebensgefährlich werden. Bei einem anaphylaktischen Schock bricht der Kreislauf zusammen, lebenswichtige Organe versagen, und dies kann schließlich tödlich enden – innerhalb weniger Minuten. Lebensmittelallergien sind dabei gefährlicher als etwa eine Allergie gegen Pollen. Zu den Nahrungsmitteln mit dem höchsten allergenen Potenzial zählen Nüsse, allen vorweg die Erdnuss. Schon winzige Mengen können eine allergische Reaktion auslösen.

Bei der Therapie sollte man sich gut beraten lassen

Bei Allergien ist die richtige Diagnostik wichtig: Dazu sollten sich Arzt und Patient viel Zeit nehmen, denn die Lebensumstände und Gewohnheiten des Patienten sagen viel aus. Mit Haut- und Bluttests ist zu klären, ob und wogegen der Betroffene allergisch reagiert. Diese Tests werden vom Arzt angeboten und von der Krankenkasse bezahlt. Stephan Bischoff warnte deutlich vor diversen Tests, die immer häufiger angeboten werden: Sogenannte elektronische oder kinesiologische Tests oder der IgG4-Test kosten viel Geld, bringen aber nichts.

Wer positiv auf eine Nahrungsmittelallergie getestet wurde, sollte sich bei der Therapie gut beraten lassen. Ernährungsspezialisten helfen bei der Umstellung des Speiseplans und beim Lesen der Etiketten. Sind Medikamente notwendig, muss auch der Umgang damit gelernt werden. Neu bei den Allergien gegen Nahrungsmittel ist die sogenannte Hyposensibilisierung, wie man sie aus der Therapie gegen Pollen kennt. Dabei wird der Körper über einen längeren Zeitraum immer wieder mit der allergenen Substanz konfrontiert – bis er sich schließlich daran gewöhnt. „Man steckt hierbei noch in den Anfängen, aber es sieht vielversprechend aus“, sagte Bischoff.