Lust auf die Liebe. Auf Rotwein. Darauf, „bettlägrigfaul“ zu sein. Bester Treibstoff, um loszufahren, wohin auch immer. Sizilien soll es sein, dort wollen Herr Reither und Frau Palm in Bodo Kirchhoffs „Widerfahrnis“ (Frankfurter Verlagsanstalt, 21 Euro) ankommen – wobei dieses Verb hier völlig fehl am Platz ist. Ankommen? Aussichtslos. Anstelle von Koffern haben die beiden Alten ihre vollgestopften Seelen mit, schweres Gepäck. Im Cabrio pendeln Haare über feinen Nasenkanten, Schenkel liegen bloß, sinnlich das alles, während Reither und Palm sich auf Lateinisch amare vorkonjugieren. Die Sonne Siziliens reißt gleißend Verhülltes auf, Leidenschaft, Wunden – und schnöde Projektionsflächen. Was wird aus den beiden? Der Hauptfigur in „Sieben Nächte“ von Simon Strauß (Blumenbar, 16 Euro) wäre das völlig egal. Sie würde Reither und Palm als Rentnerreisegruppe definieren und verbieten. Strauß schickt seinen hadernden Erzähler zum Teufel: Siebenmal um sieben Uhr soll er eine der sieben Todsünden begehen. Damit Schluss ist mit seinem Jammergefühl, „zu spät geboren zu sein, in Zeiten zu leben ohne Arien und Rausch“, und dem Kummer, dass den unter Dreißigjährigen zu oft „das Herz krumm wird“. Nüchtern wie ein Schmetterlingssammler jagt Strauß einer ganzen Generation den Spieß durchs Gedärm.

 

Ariane Holzhausen wirft das Kopfkino auch im Urlaub am liebsten nachts an.