Prinzipiell sei Frisch aber für Änderungen an seinem Roman offen gewesen. Er habe das Drehbuch betrachtet aus der Perspektive des erfahrenen Bühnenautors, der weiß, dass jede Inszenierung eines Dramas ein anderes Stück zeigt. Deshalb habe man sich gemeinsam dazu entschlossen, die Notlandung des Flugzeugs, in dem Homo faber sitzt, als Eingangssequenz zu wählen und erst dann durch Rückblenden das frühere Leben des Protagonisten ins Spiel zu bringen. Bei den Dreharbeiten war Frisch dann nicht dabei, an den Schnittfassungen des Films hat er jedoch mitgewirkt. Als Vermächtnis schenkte er dem Regisseur kurz vor seinem Tod seinen Jaguar, Baujahr 1967; diesen Sportwagen besitzt Schlöndorff noch heute.

Die Einstellung, die sich in Frischs Offenheit gegenüber Schlöndorffs Filmadaptation zeigte, war in der frühen Nachkriegszeit geprägt worden, die eine Zäsur in der Biografie des Autors markiert. Es war Frischs Freundschaft mit Bertolt Brecht, den er 1947 in Zürich kennenlernte, die seine Auffassung vom künstlerischen Schaffensprozess fortan maßgeblich beeinflusste. Der Schriftsteller, so lautet jetzt sein Credo, ist kein romantisches Originalgenie, sondern ein Handwerker und Techniker, der in kritischer Zusammenarbeit mit anderen ein Werk produziert.

Der Verleger rügt schwache Stellen in Frischs Manuskript


Der Schlüsseltext dieser literarischen Neuorientierung ist das "Tagebuch 1946-1949", dem die Marbacher Ausstellung gilt. Dieses Tagebuch ist kein intimes Journal, Frisch hat es vielmehr als eigenständige Kunstform konzipiert. Es sei das "Dokument einer Krise, in deren Verlauf Frisch all seine bisherigen Entscheidungen in Frage stellt", so der Kurator Jan Bürger. Der Tagebuchschreiber begreife die Nachkriegszeit als bedrohlich und befreiend zugleich: als Laboratorium, in dem neue Lebensentwürfe ebenso gefragt seien wie neue Spielarten der Literatur. Hier wird zum ersten Mal Frischs späteres Lebensthema artikuliert, das dann seine drei großen Romane bestimmen wird: Identität nicht als etwas Vorgegebenes, sondern als spielerische Konstruktion.

Kennengelernt haben sich Max Frisch und sein künftiger Verleger Peter Suhrkamp 1947 bei der Premiere von Carl Zuckmayers Theaterstück "Des Teufels General". Den Sommer 1949 verbringt der Autor im Ferienhaus des Verlegers auf Sylt. Suhrkamp erkennt die Begabung des Schweizers, der damals noch Architekt im Hauptberuf ist, und stellt ihn 1950 der Frankfurter Öffentlichkeit mit den Worten vor: "Unbedingt ein Dichter - was daraus werden mag, muss sich zeigen".

Aber der Verleger ist auch ein strenger Zuchtmeister seines künftigen Erfolgsautors, wie die in der Marbacher Ausstellung dokumentierte Entstehungsgeschichte von Frischs "Tagebuch" zeigt. Er rügt schwache Stellen in Frischs Manuskript, und der akzeptiert bereitwillig die Kritik seines Mentors und korrigiert bis zuletzt an den Druckfahnen des Buchs. Selbst der Buchtitel ist zwischendurch fraglich, erwogen wird "Unterwegs", was auf das zentrale Motiv der Reise durch die Lebensverhältnisse im zerstörten Nachkriegseuropa anspielt. Schließlich entscheiden sich der Verleger und der Autor aber doch für die nüchterne Bezeichnung "Tagebuch 1946-1949.

Die Ausstellung läuft bis 26. Juni Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr. Das zugehörige Marbacher Magazin 133 umfasst 76 Seiten und kostet 9 Euro.