London steht den dritten Tag in Folge im Zeichen gewalttätiger Krawalle. Brennende Autos und Plünderungen werden aus elf Stadtteilen gemeldet.

London - Gewalttätige Krawalle randalierender Jugendlicher haben auch am Montag London fest im Griff gehalten. Im Südlondoner Stadtteil Lewisham brannten am Abend Autos, in Deptford ein Ladenlokal. Auch in Peckham im Süden der Stadt und in Hackney im Nordosten gab es Krawalle. Die Polizei versuchte die Randalierer zurückzudrängen, griff aber nicht aktiv ins Geschehen ein.

 

Plündernde und brandschatzende Banden, die in der Nacht zum Sonntag in Tottenham die Randale begonnen hatten, waren schon in der Nacht zum Montag in weitere Stadtteile weitergezogen, vor allem im Norden, Osten und Süden der Metropole. Die Polizei nahm inzwischen nach Angaben von Innenministerin Theresa May 215 Randalierer fest, 25 wurden bereits angeklagt.

Mehr als 40 Polizisten wurden verletzt. Auch Gruppen gewalttätiger Kinder zwischen 10 und 14 Jahren waren unterwegs. Die Polizei stockte ihre Einsatzkräfte mit Kollegen aus anderen britischen Städten auf, um sich für eine dritte Nacht der Randale zu wappnen.

Der aus dem Urlaub zurückgekehrte Vizepremierminister Nick Clegg sagte in Tottenham, die Randalierer seien „opportunistische Kriminelle“. Sie hätten schon jetzt „große Narben“ in der Gesellschaft hinterlassen.

Die Krawalle hatten in der Nacht zum Sonntag im Problemviertel Tottenham begonnen. Zwei Tage zuvor war dort der 29-jährige Mark Duggan von einem Polizisten erschossen worden. Unklar war, ob der farbige Familienvater, der der Banden- und Drogenszene zugerechnet wird, das Feuer eröffnet hatte. Ergebnisse ballistischer Tests sollten am Dienstag veröffentlicht werden.

Der Mann hatte nach Darstellung der Polizei bei einer Kontrolle aus einem Taxi auf die Fahnder geschossen. Eine Kugel, die das Funkgerät eines Polizisten traf, stammte nach einer ersten Untersuchung aber offenbar aus einer Polizeiwaffe, berichteten mehrere britische Medien. Mitglieder der Farbigen-Community werfen der Polizei Rassismus vor.

Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe

Randalierer aller Ethnien hatten daraufhin in Tottenham Büros, Wohnungen, Supermärkte, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand gesetzt und Geschäfte ausgeplündert. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern übrig. Familien wurden obdachlos, weil ihre Wohnungen ausbrannten. „Das hat absolut nichts mit dem Tod von Mark Duggan zu tun“, sagte Vize-Premier Nick Clegg. Die Gewalt sei „total unakzeptabel“. Der örtliche Abgeordnete David Lammy sagte, Tottenham sei „das Herz entrissen“ worden. Die Sachschäden an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen gehen in den mehrstelligen Millionenbereich.

Im Stadtteil Brixton im Süden verwüsteten in der Nacht zum Montag mehr als 200 Jugendliche die zentrale Einkaufsstraße. In Enfield im Norden sowie den Stadtvierteln Walthamstow und Waltham Forest im Nordosten griffen Jugendliche Polizisten an, zerstörten Schaufenster und plünderten Läden. Die Feuerwehr musste rund 50 Brände löschen. Einige dieser Gegenden sind für soziale Probleme bekannt. Rund 50 Jugendliche randalierten aber auch am Oxford Circus - mitten in der Londoner Innenstadt. Am Montag rief die Polizei Händler und Büroinhaber im Stadtteil Hackney auf, die Läden zu schließen und die Büros zu verlassen.

Die Familie des getöteten Mannes distanzierte sich von der Gewalt. Das sei nicht im Sinne des 29-Jährigen, sagte dessen Bruder. Bei den Tätern handle es sich offenbar um „Trittbrettfahrer“, erklärte Scotland Yard. Die Beamten seien schockiert über das Ausmaß der Gewaltbereitschaft. London ist in einem Jahr (27. Juli bis 12. August 2012) Austragungsort der Olympischen Spiele. Die Sicherheit ist eines der meistdebattierten Themen im Vorfeld der Spiele.

Die Jugendlichen bildeten laut Polizei über das Internet „kleine und mobile“ Gruppen. Sie hätten sich mit Smartphones organisiert und seien sehr schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen, berichteten Beobachter. Die Polizei habe daher große Probleme gehabt, die Randalierer unter Kontrolle zu bekommen. Scotland Yard drohte Twitter-Usern, die über den Kurznachrichtendienst zu Gewalt aufrufen, hohe Strafen an.