Der britische Premier David Cameron hat für seine Ankündigung, in Großbritannien ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten zu wollen, viel Kritik einstecken müssen. Londons Botschafter in Berlin, Simon McDonald, rät zur Gelassenheit.

Stuttgart Der britische Premier David Cameron hat für seine Ankündigung, in Großbritannien ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten zu wollen, in Europa viel Kritik einstecken müssen. Londons Botschafter in Berlin, Simon McDonald, rät zu Gelassenheit.
Herr Botschafter, im Jahr 2017 soll – geht es nach Cameron – über den Verbleib in der EU abgestimmt werden. Wie würden die Briten heute entscheiden?
Also erstens hat der Premierminister seine Ideen über ein Referendum als Parteiführer der Konservativen angekündigt. Das heißt, er muss bis dahin erst wiedergewählt werden, die Konservativen müssen die nächste Regierung führen. Das sind viele Bedingungen und es ist nicht sicher, dass wir ein Referendum haben werden. Zweitens muss man sehen, dass diese Frage in Großbritannien derzeit nicht debattiert wird. Wenn der Zeitpunkt näher kommt, und die Diskussion beginnt, dann wird die Zustimmung für die Union steigen. Und drittens muss man sagen, dass Cameron in seiner Europarede zwar Reformen anmahnt, nach drei Jahren als Premier aber ein klares Bekenntnis zu Europa gegeben hat.

Ist das nicht ein Vabanque-Spiel? Was passiert, wenn die Briten raus wollen aus der Europäischen Union?
Im Augenblick denken die Menschen nicht wirklich intensiv über diese Frage nach. Vor einem Referendum wird sich das ändern. Meine Prognose ist klar: die Mehrheit will dann in der EU bleiben.

Warum dann eine Abstimmung?
Die Regeln innerhalb der EU müssen geändert werden und wir müssen die Beziehungen zwischen den Ländern innerhalb und außerhalb der Eurozone neu definieren. Darauf arbeiten wir hin. Und es hat ja schon erste Erfolge gegeben. Zum Beispiel beim Thema Budgetdisziplin und beim mehrjährigen Finanzrahmen. Zum ersten Mal gibt Europa weniger Geld aus. Das erreicht zu haben – im übrigen zusammen mit Deutschland – ist ein Erfolg. Gleiches gilt für die Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA. Freien Handel haben wir Briten immer unterstützt.

Wäre nicht vieles einfacher, wenn Großbritannien dem Euro beiträte?
Das ist eine Option, aber ganz ehrlich: nicht in dieser Legislaturperiode, und wohl auch nicht in der nächsten. Aber wer weiß, was in 15 oder 20 Jahren ist. Wir sind pragmatisch und flexibel – und man sollte niemals nie sagen.

Man hat oft das Gefühl, dass die Briten ihr Verhältnis zu Europa im Sinne einer Rosinenpickerei definieren.
Es gibt da ein Missverständnis über die Rede des Premierministers. Als er über Demokratie und Wettbewerb gesprochen hat, oder darüber, dass Macht aus Brüssel an die Mitgliedsstaaten übertragen werden muss, war das nicht im Sinne einer Rosinenpickerei für uns gemeint. Er hatte alle Regionen Europas im Blick, Finnland, Malta und Deutschland ebenso wie Großbritannien. Viele Europäer stimmen ihm doch zu, dass Brüssel nicht alleine über alles entscheiden soll.

Trügt der Eindruck, dass sich die Briten oft lange zurückhalten und dann kurz vor einem Gipfel laut „So nicht!“ rufen?
Das ist ganz sicher falsch. Unsere Stimme ist in Brüssel jeden Tag zu vernehmen, und zwar als Stimme des Pragmatismus. Die Schlagzeilen mögen manchmal den Eindruck erwecken, den Sie aufgezeigt haben. Aber die tägliche Arbeit taugt nicht für große Schlagzeilen. Großbritannien spielt eine sehr konstruktive Rolle, meistens mit Gleichgesinnten an seiner Seite – und dabei sehr oft mit Deutschland.

Teilen andere Länder diesen Eindruck?
Ja, das ist zum Beispiel die Ansicht der deutschen Regierung.

Europaweit werden Regierungen gerade für ihren Sparkurs bestraft und abgewählt. Hält London an diesem Kurs fest?
Das Richtige zu tun ist manchmal schmerzhaft, aber wir sind uns sicher, dass der Sparkurs das Richtige ist. Alles andere würde die Probleme nur auf unsere Kinder verlagern. Das ist keine Alternative.